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Und der Brandschutz? Saalkuppelschmuck auf der Opern-Baustelle.

© M.Gambarini/dpa

Skandalbaustelle Staatsoper Berlin: Notfalls dirigiert Barenboim auf einer Baustelle

Die sanierte Berliner Staatsoper Unter den Linden wird wie geplant am 3. Oktober wiedereröffnet - so oder so. Wann der Regelbetrieb aufgenommen werden kann, bleibt fraglich.

Für die Einweihung prestigeträchtiger Kulturtempel mit maximaler Bauverzögerung samt Kostenexplosion gibt es zwei Möglichkeiten. Da ist zum einen das Hamburger Modell: Volle zehn Wochen vor dem Festakt mit Bundespräsident und Kanzlerin im Januar wurde die Elbphilharmonie vom Projektleiter an die Nutzer übergeben.

Diese hatten also alle Zeit der Welt, sich mit den technischen und akustischen Gegebenheiten des Herzog-&-de-Meuron-Baus vertraut zu machen. Das NDR Elbphilharmonie Orchester konnte sogar eine erste CD-Aufnahme im neuen Saal realisieren, bevor sie sich dort erstmals öffentlich präsentierte.

Das andere Modell funktioniert à la française: Die von Jean Nouvel entworfene Philharmonie de Paris war zum offiziellen Eröffnungsdatum im Januar 2015 noch weit von der Vollendung entfernt, doch die politisch Verantwortlichen wollten um jeden Preis ihr Gesicht wahren und bestanden darauf, den Termin einzuhalten.

Also ging der Konzertbetrieb auf einer Restbaustelle los. Beim Gastspiel von Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern gut einen Monat nach der Weihe des Hauses bestanden die Saaltüren immer noch aus Sperrholzplatten, und der Bühnenboden kam bei jeder kollektiven Bewegung einer Stimmgruppe derart ins Schwanken, dass die Musiker kaum noch ihre Noten lesen konnten.

Holpriger Start zu befürchten

Berlin wird bei der Staatsoper Unter den Linden wohl einen dritten Weg gehen müssen. Gesetzt ist der 3. Oktober in diesem Jahr, weil Daniel Barenboim es sich angewöhnt hat, seine erste Saisonpremiere stets am Tag der Deutschen Einheit zu dirigieren. Und alle Beteiligten würden dieses Symboldatum auch gerne einhalten.

Während allerdings die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit Verweis auf laufende „Abstimmungsprozesse“ in Sachen Eröffnungstermin weiterhin mauert, getreu dem Motto: „Niemand hat die Absicht, eine Dauer zu berichten“, zeigt sich Daniel Bartsch, Pressesprecher von Kultursenator Klaus Lederer, auskunftsfreudiger: „Eröffnet wird am 3. Oktober, in welcher Form auch immer“.

Der Nachsatz verweist auf das Dilemma, in dem der Bauherr, das Land Berlin, steckt. Mit der Übergabe des besenrein sanierten Musentempels wird es nicht mehr so rechtzeitig klappen, dass die Künstler und Bühnenarbeiter wirklich genügend Zeit haben, ihr runderneuertes Stammhaus gut genug kennenzulernen, um sofort mit dem Repertoirebetrieb starten zu können. Jede bereits existierende Produktion, die aus dem Ausweichquartier im Charlottenburger Schillertheater zurück nach Mitte transferiert wird, muss schließlich an die Bühnenmaße der Lindenoper angepasst werden. Und für eine Neuinszenierung braucht es mindestens drei Wochen Probezeit vor Ort, ohne dass im Zuschauerraum noch die Bohr- und Schleifmaschinen im Einsatz sind.

Kreative Lösung beim Brandschutz

Es wird also wohl darauf hinauslaufen, dass am deutschen Nationalfeiertag Barenboim und seine Staatskapelle lediglich ein sinfonisches Programm zur Eröffnung präsentierten. Danach wird noch einmal zugesperrt. „Spät im Herbst“, so formuliert es Daniel Bartsch, könne dann der „Regelbetrieb“ losgehen. Und er fügt gleich noch hinzu: „Der Herbst dauert ja lang.“ In der Tat. Meteorologisch bis zum 30. November, kalendarisch sogar bis zum 20. Dezember.

Wobei es in der Kalkulation noch eine Unbekannte gibt. Die Beamten in den entsprechenden Genehmigungsbehörden müssen mitspielen, also bereit sein, ihre Ausführungsvorschriften kurzzeitig mal etwas lockerer auszulegen. Beispielsweise beim Reizwort Brandschutz. Da gibt es tatsächlich die Option, dass zum Eröffnungsevent echte Menschen die ausgeklügelte Warntechnik ersetzen, also Feuerwachen darauf achten, dass sich angesichts der heißlaufenden Begeisterung des Publikums über das wiedergewonnene Neorokoko-Interieur nichts am Gebäude entflammt.

Es wird also eine Ouvertüre in drei Akten. Der erste geht konzertant über die Bühne – wobei dem Maestro hoffentlich etwas Originelleres einfällt als die notorische Neunte von Beethoven. Es folgt eine tonlose Partie, die Stillarbeitsphase zur Hauserkundung, und schließlich, zum Happy-End ein szenisches Spektakel. Da würde sich beispielsweise ein Singspiel von Richard Wagners Sohn Siegfried aus dem Jahr 1917 anbieten, mit dem schönen Titel: „An allem ist Hütchen schuld“. Wer das sein soll? Tja, das hat nicht einmal der „Untersuchungsausschuss Staatsoper“ des Berliner Abgeordnetenhauses herausbekommen.

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