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„She was once like me“, Yvonne Roebs Skulptur von 2012.

© Markus Bachmann

Skulpturen von Yvonne Roeb: Krake, Schlange, Mensch

Tierisch: Die Bildhauerin Yvonne Roeb zeigt wundersame Kreaturen in der Schering-Stiftung. Ihre Skulpturen lösen im Betrachter Faszination und Unbehagen aus.

Die Schlange hängt am Haken. Ihr vollgefressener Leib würde sich aus dem Eisenring, der ihn umgibt, kaum befreien können. Vor oder zurück, jede Option ist schlecht. Es seien vor allem menschliche Gefühlslagen, die in Skulpturen wie der Schlange zum Ausdruck kommen, sagt die Bildhauerin Yvonne Roeb. Die wundersamen Kreaturen der Berlinerin sind ab Mittwoch in der Schering-Stiftung ausgestellt.

In einer Nischenwand, die an die prachtvollen Wunderkammern der Spätrenaissance erinnern soll, sind Krake, Nagetier und Schlange effektvoll arrangiert. Allerdings handelt es sich bei den Tieren um surreale Mischwesen. Manche sehen aus wie Hybride aus Frankensteins Labor: Der Käfer verfügt über ein menschliches Skelett, die blassrosa schimmernde Krake streckt auch menschliche Gliedmaßen von sich, und aus dem zu Boden stürzenden Nagetier quellen Innereien. „Augurium“ heißt das Werk, in Anlehnung an eine alte Art der Zukunftsdeutung: An den Eingeweiden eines Opfertieres sollte sich der Wille Gottes zeigen.

In unserer rationalen, aufgeklärten Welt haben solche spirituell-religiösen Vorstellungen nichts zu suchen. Roeb interessiert sich wohl gerade deshalb für übernatürliche Kräfte und alte Riten, sie fragt nach der Seele eines Objekts. Ihre Kreaturen hat sie aus Ton, Gips und Silikon geformt, lackiert oder mit Bronze überzogen, nun entwickeln die Dinge ein Eigenleben, das weder Bildhauerin noch Betrachter vollständig unter Kontrolle zu haben scheinen.

Alter Tanz der Geschlechter und moderne Genderfragen

Eine ungewöhnliche Position für die Schering-Stiftung. Bildhauerei, zumal mit Anklängen an Animimus und Fetischismus, erwartet man hier eher nicht. Roebs Verschmelzungen von Mensch und Tier sieht Kuratorin Heike Catherina Mertens aber im Zusammenhang mit der Debatte um das Anthropozän. Das Ende der menschenzentrierten Weltsicht ist in der Kunst schon seit ein paar Jahren Thema.

Roeb, 1979 geboren, nimmt dieses Sujet mit großer Selbstverständlichkeit auf, vereint die Abgebrühtheit einer Genetikerin mit der Feinsinnigkeit eines Schamanen. Die genaue Inspektion ihrer Werke erzeugt Faszination und Unbehagen. Ein männlicher und ein weiblicher Beckenknochen, von der Künstlerin geformt, hängen an einer Halterung, verbunden sind sie mit einem Schweif aus Pferdehaar. Der uralte Tanz der Geschlechter klingt hier ebenso an wie moderne Genderfragen und unser Umgang mit dem Tier, der Natur und dem Körper.

Schering-Stiftung, Unter den Linden 32, bis 6. 11.; Eröffnung: 14. 9. 18–21 Uhr

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