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So kann’s gehen: Wie diskret darf ich sein?

Während eines lockeren Gesprächs in der Familie meines Partners entdeckte ich an seiner Nase die Reste vorherigen Schnaubens. Dies gab ich ihm leise zu verstehen.

Während eines lockeren Gesprächs in der Familie meines Partners entdeckte ich an seiner Nase die Reste vorherigen Schnaubens. Dies gab ich ihm leise zu verstehen. Seine Reaktion war, dass ich ihm das ruhig hätte laut sagen können, also kein Dankeschön. Mir wäre es immer lieber, wenn man diskret aufmerksam gemacht würde.

Es ist ein leider weit verbreiteter Irrtum, dass es sich in der Familie ganz ungeniert lebt. Natürlich geht es im privaten Kreis entspannter zu, als in einer Geschäftsversammlung. Aber von dem schönen Gefühl der Vertrautheit sollte man sich nicht dazu verführen lassen, sich gehen zu lassen, sich alles zu erlauben. Viel Kummer und Knatsch im familiären Bereich ist dem Gedanken geschuldet: „Hier kommt es ja nicht so drauf an.“ Die Reaktion Ihres Partners lässt darauf schließen, dass er so ähnlich empfindet. Ich glaube, dass Ihre Haltung richtiger ist. So kleine Unappetitlichkeiten darf man sich nirgendwo durchgehen lassen, auch nicht im Familienkreis. In Gegenwart seines Chefs wäre es ihm sicher peinlich gewesen, und er hätte sich für den leisen Hinweis bedankt.

Dank für eine nett gemeinte Tat gehört immer dazu. Warum gehen sich so viele Menschen im engsten Kreis so leicht auf den Wecker? Weil sie einfache Regeln nicht berücksichtigen, die im Berufsleben selbstverständlich sind. „Wir sind doch unter uns, also können wir uns auch alles erlauben“, ist ein Motto, das nicht unbedingt zu guter Stimmung führt. Wer Familienmitglieder mit der gleichen Höflichkeit behandelt wie Kollegen, addiert zu der vertrauten Atmosphäre noch einen Extraschuss Lebensqualität.

Ein Dankeschön zu viel wird niemals zu Sympathieverlust führen. Ein Dankeschön zu wenig hingegen kann auch mal der Tropfen sein, der das Fass der Gleichgültigkeit zum Überlaufen bringt und eine Beziehung zerrüttet.

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