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Kultur: So war das damals, in der Friedenssaison

Eine notorische Friedensfreundin bittet den Polizisten, sie doch kräftig auf die rechte Wange zu schlagen, auf dass sie ihm auch die linke Wange hinhalten könne. Der masochistische Lustgewinn lässt sich noch steigern, wenn die Sitzblockiererin versichert, sie leiste keinen Widerstand, so er sie nur in seine starken Arme nehme.

Eine notorische Friedensfreundin bittet den Polizisten, sie doch kräftig auf die rechte Wange zu schlagen, auf dass sie ihm auch die linke Wange hinhalten könne. Der masochistische Lustgewinn lässt sich noch steigern, wenn die Sitzblockiererin versichert, sie leiste keinen Widerstand, so er sie nur in seine starken Arme nehme.

Die kommunistische Schriftstellerin Gisela Elsner sammelte in den 80er Jahren Dokumentarmaterial über die Friedensbewegung, ohne genau zu wissen, ob ein Roman, ein Essay oder eine Bühnenstück daraus wird. Dann traf sie die Münchner Initiatoren des "Weber-Herzog-Musiktheaters", den Komponisten Christof Herzog und die Sängerin Christa Weber. Beide suchten gerade nach Stoff für ein musikalisches Projekt, und nichts lag näher, als den gesamten Kram zusammenzukippen. Das Resultat heißt "Friedenssaison" und wurde unter der leicht hochstaplerischen Bezeichnung Oper nun auszugsweise im Literaturforum im Brecht-Haus vorgestellt.

In der kabarettistisch geprägten Szenenfolge wird schnell klar, dass Gisela Elsner die Friedensbewegung der 80er Jahre von stramm links kritisiert. Mit Sonnenblumen in der Hand gegen Raketen zu demonstrieren, zeugt eindeutig von falschem Bewusstsein. Treffend und gemein wird Elsners Witz vor allem in eher schlüpfrigen Szenen, auch wenn der geile Monsignore nah am Klischee gezeichnet ist. Bei "Schwimmen für den Frieden" in Netzhemd, Latexbadehose und mit Würdenträgerhut macht Niels Frédéric Hoffmann allemal eine lächerliche Figur. Die Kompositionen von Christof Herzog suchen ihre Inspiration unverhohlen in Bills Ballhaus in Bilbao und beim Surabaya-Johnny. Anita Keller begleitet so gut es auf dem kleinen, alten Klavier geht. Da hätte es niemanden überrascht, wenn die Sängerin Christa Weber anfinge, Gläser abzuwaschen. Sie trifft jedoch den ironischen Ton, der den Agitpropton des Abends nicht nur erträglich, auch höchst unterhaltsam macht. Ein Publikum, das die charismatische Schriftstellerin wohl selbst noch gekannt hat, blickt gerührt und amüsiert auf die eigene Vergangenheit zurück. Ja, so war das damals, mit Sonnenblumen gegen Panzer. Lächerlich.

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