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Nicola Rost.

© Mike Wolff

Solodebüt von Laing-Sängerin Nicole Rost: „Ich bin ein bisschen größenwahnsinnig“

Mit der Band Laing stürmte Nicola Rost die deutschen Popcharts. Jetzt singt sie ihr erstes Liedersolo in der Bar jeder Vernunft.

Frau Rost, Sie haben Politologie studiert, was bringt das fürs Popbusiness?
Mein Diplom habe ich 2012 gemacht, an der Uni Potsdam. Das stammte aus einer Zeit, als ich noch nicht wusste, dass ich Musikerin werde. Fürs Popbusiness bringt das nichts, aber ein Politikstudium tut theoretisch jedem Bürger einer Demokratie gut. In der Schule kriegt man einfach sehr wenig von dem mit, was man braucht, um politische Sachverhalte beurteilen zu können. Deswegen bereue ich das ganz und gar nicht.

Als Sie das Studium beendet haben, waren Sie musikalisch schon stark im Geschäft.
Das war das Jahr, in dem ich mit meiner Band Laing beim Bundesvision Song Contest auf Platz zwei gelandet bin. Da habe ich im Frühjahr die Prüfungen gemacht. Ich habe auch mit mir gehadert, weil es sich abgezeichnet hat, dass ich den Abschluss nicht brauche. Aber dann habe ich mich durchgebissen und bin seither Fan davon geworden, Sachen fertig zu machen. An der Diplomarbeit bin ich mehr gewachsen als an den Alben. Seinen Schweinehund so zu bezwingen, dass man achtzig Seiten zusammenhängenden Text schreibt. Ist mir immer noch rätselhaft, wie ich das geschafft habe. Seitdem weiß ich: Wenn ich was will, mach ich’s, auch wenn’s wehtut.

Diese Lektion zu lernen, dazu gab’s im Künstlerleben keine Gelegenheit?
Aber im Politikstudium sind die Themen einfach sperriger. Meine Diplomarbeit hieß ,Internet als Agora? Über die Chancen und Hoffnungen demokratietheoretischer Art, die an das Internet gestellt werden‘. Die habe ich mit antiken Vorbildern und Idealen verglichen. Da muss man sich wirklich konzentrieren. Klar gab es in der Musik auch Lektionen. Bevor ich die erste CD mit Laing veröffentlicht habe, habe ich ja schon fünf Jahre davon geträumt, das zu tun. Bin immer mit dem Kopf gegen die Wand gerannt und habe mich gefragt, wann kommt denn endlich die Plattenfirma auf dem Schimmel angeritten?

Musikalisch sind Sie Autodidaktin und schreiben Ihre Songs am Computer.
Ich habe schon Klavier gelernt, beziehungsweise saß im Klavierunterricht. Da habe ich mich schwerfällig angestellt. Üben ist entsetzlich langweilig. Der Computer war dann für mich eine Möglichkeit, ganz frei und in meinem Tempo eine Gesangsspur aufzunehmen, eine Begleitung zu überlegen, eine zweite Gesangsspur aufzunehmen, mit mir selber mehrstimmig einen Chorus zu arrangieren. Ich habe tagsüber studiert und die Nächte zu Hause am Computer verbracht und mich in diese faszinierende Welt gefrickelt.

Ich habe Sie erstmals in der „Berlin Revue“ von Mark Scheibe im Admiralspalast gesehen, muss 2008 gewesen sein, da waren Sie Backgroundsängerin. Vielleicht vermessen, aber ich wusste, dass Sie Ihren Weg in die erste Reihe machen: Sie selbst auch?
Da habe ich ja schon meine eigene Band gehabt. Ich wusste, dass ich gerne vorne stehen will, aber ich hatte nie zuvor mit studierten Orchestermusikern gespielt. Da habe ich gelernt, klassische Solonummern zu singen, „Seeräuber Jenny“ oder „Von nun an ging’s bergab“. Deswegen gibt es jetzt auch das neue Programm. Wenn ich mit Laing auf der Bühne stehe, wollen die Leute tanzen, deswegen haben wir ruhige Songs aussortiert. Einige davon singe ich jetzt solo.

Mit Laing sind Sie zwischenzeitlich deutscher Popstar geworden …
Popstar? Keine Ahnung, wo die Bezeichnung eigentlich anfängt …

… genau hier und jetzt. Woran merkt man denn als Künstlerin, dass die Zeit als Backgroundsängerin vorbei und das große Publikum dran ist? Erinnern Sie das Gefühl, als Sie die Veränderung greifbar wurde?
Wie ein klischeehafter Durchbruch hat sich am ehesten der Bundesvision Song Contest angefühlt. Da gab’s in den Monaten danach einen richtigen Schub. Aber nur weil du da warst, kannst du nicht dein Handtuch hinlegen und sagen, hier auf dem Sonnendeck bin ich jetzt immer. Die Konkurrenz ist groß.

Die Konkurrenz bei Damenformationen?
Es gibt keine Nische, die für Damenformationen frei gehalten wird. Popmusik findet im Radio, Fernsehen, Internet statt, da buhlen alle um eine bestimmte Anzahl von Plätzen. Wir hatten uns relativ schnell einen Status in Berlin erspielt, aber dann ging’s nicht weiter. Weiter kommt man im Pop nur mit einem guten Management. Die Vermarktung ist ein eigener Beruf. Und als Indiemusiker kommt man sich ja total doof vor, wenn man was aushandeln soll. Da will man mit Kommerz nichts zu tun haben, sich selbst nicht so an die große Glocke hängen. Man möchte gefälligst entdeckt werden! Das ist der heimliche Traum, ich stelle ein Video online, das soll explodieren und der Schneeball walzt dann alles nieder. Passiert leider nur sehr selten. Label sind nicht so darauf ausgerichtet, Künstler aufzubauen. Die nehmen sich erst deiner an, wenn du dich schon auf ein gewisses Level gestrampelt hast.

Sie haben eine physische Präsenz, die Sie zum Zentrum der Bühne macht. Woher kommt die – Gehirnjogging? Krafttraining?
Ich habe Energie, die muss ich kanalisieren. Dass das auf der Bühne geht, ist das Schöne.

Sie sind Frontfrau, Produzentin, Songschreiberin: Leiden Sie unter Kontrollwahn oder warum wollen Sie alles selber machen?
Ich muss Sachen ausprobieren, um sie beurteilen zu können. Auch die Arbeit anderer. Außerdem macht es mir Spaß, breit zu arbeiten. Erst mache ich die Texte und die Musik, dann denken die Tänzerin und ich uns die Bühnenchoreos aus, dann überlege ich mir mit einer Designerin die Outfits und konzipiere die Videos. Ich tobe mich in allen Feldern aus, solange man mich gewähren lässt. Da bin ich ein bisschen größenwahnsinnig.

Ihre Band wird häufig mit dem Begriff „Alphamädchen“ belegt: Sind Sie eins?
Keine Ahnung. Girlgroup okay, aber Mädchen? Wir sind erwachsen. Das Geschlechterthema ist aber immer präsent. Wir werden immer gefragt, wie wir zum Feminismus stehen, wie wir es als Frauen seit acht Jahren schaffen, eine Band zu bilden. Die Frage wird gern eingeleitet mit ,Na ja, das ist jetzt ein Klischee, aber wie kommt ihr mit dem Zickenkrieg klar?‘ Das ist dann in Kurzinterviews für die Journalisten offensichtlich die interessanteste Information. Ziemlich ermüdende Sache.

Sie covern mit Laing „Morgens immer müde“ von Trude Herr und „Sei doch bitte wieder gut“ von Heintje: Was gefällt Ihnen am Schlager?
Schlager ist ein fürchterlich unklarer Begriff, ein Totschlagargument, das für banal und billig steht. Er umfasst Lieder der Sechziger und Siebziger, volkstümliche Musik, aber auch Helene Fischer – und die macht von R’n’B beeinflussten Dancebeat. In Amerika wäre das Pop. Was ich mag, ist in Traditionen zu stöbern. Ich spiele gerne mit Sachen, die jeder kennt und deute sie um. Ich habe ja auch „Alles nur geklaut“ von den Prinzen gecovert – als coole Hip-Hop-Version. Ich stöbere auch gern bei Truckerbands.

Truckerbands? Davon singen Sie hoffentlich was in Ihrem Solo.
Was ich da singe, ist schwer geheim. Es gibt eine klassisch besetzte Begleitung aus Gitarre, Schlagzeug, Bass. Ich will einfach mal mit Instrumentalisten spielen, andere Klänge ausprobieren statt elektronisch programmierte Musik. Jazz, Bossa Nova, Chanson, Laing-Material. Ich lese auch ein paar eigene Gedichte vor.

Sie lassen sich beim Texten gern von Lyrik inspirieren, von Kästner und Tucholsky. Wie passt denn das zu Elektropop?
Da habe ich als Texterin nicht den Anspruch, so zu klingen wie die. Aber die Gedichte von Kästner und Tucholsky berühren mich sehr, die schlicht wirkenden, klaren Worte, mit denen sie ganz fein beobachtete Szenen schildern. Beispielsweise Kurt Tucholskys Gesicht „Sie zu ihm“. Manchmal sind’s auch einfach nur Themen, wie Kästners „Sachliche Romanze“ mit dem Satz: ,Sie rührten in ihren Tassen / am Abend saßen sie immer noch dort und konnten es einfach nicht fassen‘. Das geht mir durch Mark und Bein. Ein Gefühl, wie die darin ausgedrückte Fassungslosigkeit, kann man zum Anlass nehmen, um zu schreiben.

Bei welchem Lyriker haben Sie denn zuletzt einen Satz für ein Lied geklaut?
Bei Robert Gernhard. Aber nur eine Zeile. Das reicht, um mich zu was Neuem anzuregen.

Das Gespräch führte Gunda Bartels.

Nicola Rost, 30, ist Sängerin, Songschreiberin und Produzentin. Sie wurde in Mannheim geboren, ist in Berlin-Reinickendorf aufgewachsen und lebt in Prenzlauer Berg. 2007 gründete die musikalische Autodidaktin mit der Tänzerin Marisa Akeny und zwei weiteren Sängerinnen (heutige Besetzung: Johanna Marshall, Larissa Pesch) die deutschsprachige Elektropopband Laing. 2012 wurde die Band durch einen Auftritt bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest mit dem Song Morgens immer müde deutschlandweit populär. 2013 und 2014 erschienen die Studioalben Paradies und Wechselt die Beleuchtung. Am kommenden Donnerstag und Freitag (13. und 14. August, jeweils 20 Uhr) singt Nicola Rost, begleitet von drei Musikern, ihren ersten Sololiederabend in der Bar jeder Vernunft.

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