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SOMMER Spiele (3): Majestäten am Himmel

Ob Rituale auf Reisen oder ein Hobbyin der schönen Jahreszeit: Sommerspielemüssen nicht stets olympisch sein. In denFerien erzählen wir hier alle paar Tage von einem saisonalen Lieblingszeitvertreib.

Wie sie hasten, wie sie schieben, wie sie aneinander rumpeln. Schwerelos und ohne einen Laut. Wie sie trödeln, wie sie regungslos am Himmel stehen, nur der Schornstein auf dem Hausdach gegenüber zeigt die Reisegeschwindigkeit der schneeweißen Schnecken an. Überhaupt, wie sie Tieren gleichen – Hund, Katze, Schaf. Wie sie Blumenkohl sind, Schlagsahne, gestockter Eischnee. Wie sie zerfransen und üppig, allein oder viele sind, lachsfarben oder lichtgrau.

Wie den Wetterkündern die großen Dramen des Firmaments folgen: Wind, Regen, Donner und Blitz. Wie sie mitnichten bloß eine Ansammlung von Wassertröpfchen oder Eiskristallen, sondern reine Poesie sind. Und – solange kein tröstender Gott sein Antlitz der schnöden Welt zeigen mag – die einzig sichtbaren Majestäten am Himmel: Wolkenschiffe!

„Durchs Frührot zog das Wolkenschiff / vor einem hellen Frühlingstag, / Als ich, ein träumend Schülerkind, / im morgenstillen Felde lag; / Ein Falter streifte meine Stirn, / und vor mir eine Lilie stand; / Ich aber schaute drüber hin; / ins tiefe, blaue Morgenland.“

Was die auf dem Rücken liegenden Kinder, wie hier von Gottfried Keller bedichtet, staunen und rätseln machte, geht auf der Parkbank oder dem Balkon genauso. Mit den Wildgänsen ziehen wie Nils Holgersson? Nein, die schnattern doch viel zu laut und landen auf Monokulturen neben der Autobahn. Schöner ist’s, mit den Wolken in ferne Länder zu fliegen. Einfach so, mit den Gedanken mitten rein.

Was heißt schon „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, wie Reinhard Mey singt? Nein, nur für die Wolkenschiffe selbst ist die Freiheit grenzenlos. Darüber ist ja nur die öde blaue Stratosphäre und das schwarze All. Die Wolken sind dagegen schon namentlich allerliebst: Altocumulus – große Schäfchenwolke, Cirrus – Federwolke, Stratocumulus – Haufenschichtwolke. Und wer einmal sechs Wochen lang alle Tage nur blauen Himmel und Sonnenschein erlebt hat, weiß, wie sterbenslangweilig das ist.

In merry old England, wo der Himmel mitunter so tief auf die Erde sinkt wie hierzulande nur in der Uckermark, haben sich schon mehr als 30 000 Menschen zusammengeschlossen, um die „Banalität des Blauen-Himmel-Denkens“ zu bekämpfen. So viele Mitglieder behauptet zumindest eine in Somerton ansässige Vereinigung der Wolkenliebhaber zu haben (www.cloudappreciationsociety.org). Die heitere Homepage zeigt von Cloudspottern eingesandte Fotos, Wolkenkunst und die „Wolke des Monats“. Dazu steht kurz und bündig geschrieben: „Wir lieben Wolken und schämen uns nicht, das zu sagen.“

Wo das nun geklärt ist, bleibt nur, auf den Balkon zu treten und auf die nächste Mitreisewolke zu warten.

Bisher erschienen in unserer Serie:

Dreischönstesachenbücher (23. Juni)

und Sandburgenbauen (26. Juni)

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