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SOMMER Spiele (4): Ping Pong auf der Arche Noah

Ob Rituale auf Reisen oder ein Hobby in der schönen Jahreszeit: Sommerspiele müssen nicht stets olympisch sein. In den Ferien erzählen wir hier alle paar Tage von einem saisonalen Lieblingszeitvertreib.

Sehr gerne bei Windstärke 11. Herrlich, wenn die Gischt neun Meter hoch gegen die Fenster des Sportdecks schäumt. Tischtennis in Trance. Als Teenager habe ich schon gerne gespielt, aber normalerweise geht, wenn man 18 wird, die Lust verloren wie die erste Liebe. Bei mir erwachte sie vor einigen Jahren neu auf einem Schiff, auf dem sich Menschen aus aller Herren Länder beim Tischtennis trafen. Arche Noah mit Ping Pong. Hinter den Falkland-Inseln kam ein furchtbarer Sturm auf und peitschte den riesigen Dampfer übers Meer wie eine Nussschale. Im Café fiel man um, mitsamt Stuhl. Fast unmöglich, sich an der Platte auf den Beinen zu halten. Etliche aus der ursprünglichen Clique hatten sich schon bleich in die Kabine zurückgezogen, die nette Lady aus Malaysia war nicht mehr dabei, der smarte Typ aus New York auch nicht. Übrig blieben ein Australier, ein Russe, eine Chinesin aus San Francisco und ich. Wir spielten und spielten und spielten. Kein Ball war auch nur ansatzweise zu berechnen, das erhöhte den Spaß. Wir sprangen hin und her, hochkonzentriert, voller Einsatz. Das beste Reaktionstraining der Welt, unglaublich, unsere Ballwechsel. Mal war der aufgewühlte Ozean hinter der Scheibe ganz nah, mal nur das grollende Grau der wütenden Wolken. Manchmal sprang der Ball unter die torkelnden Füße, so dass er zerquetscht wurde. Es gab Nachschub, zum Glück.

Seitdem frage ich immer zuerst nach der Tischtennisplatte, wenn ich ein Schiff betrete. Am besten fragt man Zwölfjährige, die sind die Ersten, die wissen, wo die Platte ist. Auf diese Weise lernte ich Preston kennen, einen amerikanischen Jungen, mit dem ich später manches Doppel gewonnen habe. Seine Eltern waren das coolste Paar an Bord. Anfangs verfolgten sie unsere Endlosturniere hinter ihren großen Sonnenbrillen. Aber dann ließen sie sich inspirieren und organisierten ihrerseits Fußballturniere. „Hey, du bist doch aus Deutschland“, sagten sie, „du musst mitmachen.“ Das Wunderbare bei Nicht-Deutschen ist ihre Art, den guten Willen mehr zählen zu lassen als die tatsächliche Kompetenz. Als Torhüterin fürchtete ich vor allem die harten Schüsse eines 14-jährigen Dänen. Aber irgendwann stellte mich eine Mitspielerin ihrer Freundin als „our Goalie“ vor.

Beim Tischtennis weiß ich inzwischen, dass man sich einfach nur mit sehnsüchtigen Augen dazu stellen muss. Das funktioniert am Strand von Fuerteventura so gut wie in einem äthiopischen Bergdorf. Nur im Tiergarten, wo überall Platten herumstehen, ist es manchmal schwer, spontan eingeladen zu werden. Egal, man kann ja Freunde überreden. Es ist Sommer, höchste Zeit, mal wieder die Freuden des Teenagerlebens zu zelebrieren.

Bisher erschienen: Dreischönstesachenbücher (23. Juni), Sandburgenbauen (26. Juni), Wolkengucken (2. Juli)

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