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SOMMER Spiele (5): 18 Bahnen und ein Ende

Ob Rituale auf Reisen oder ein Hobby in der schönen Jahreszeit: Sommerspiele müssen nicht stets olympisch sein. In den Ferien erzählen wir hier alle paar Tage von einem saisonalen Lieblingszeitvertreib.

Zum Spielen bin ich nicht gemacht – Rommé und Mau Mau, weiter hab’ ich’s nicht gebracht. Zu meinen deprimierendsten Erfahrungen gehört „Memory“ mit kleinen Kindern, die türmeweise Karten anhäufen, während ich allenfalls auf Bungalowhöhe komme. Traumatischer war nur noch das Volleyballspiel in der Schule, als die Mannschaftsführerinnen mich immer bis zum Schluss auf der Bank sitzen ließen. Als Vorletzte aufgerufen zu werden, war schon ein Triumph. Mit anderen Worten: eine Loserin. Noch dazu eine, die nicht mal verlieren kann. Um ehrlich zu sein, heißt mein Lieblingsspiel Lesen. Nur ist das leider asozial.

Meine Rettung heißt Minigolf. Dessen Spielern attestierte einst das Landesverwaltungsgericht Schleswig, ihnen fehle der Wille, „sich planmäßig körperlich zu bewegen und dabei ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden“. Kurzum: Minigolf ist das pure Schönwettervergnügen, dazu braucht man weder einen athletischen Körper noch ein gutes Gedächtnis, man kann es generationsübergreifend und gruppenweise betreiben, und das Ende ist immer in Sicht. 18 Bahnen, Schluss. Worauf es ankommt: Konzentration, Ruhe bewahren, zuschlagen. Aber mit Gefühl. Mathematisch begabtere Menschen rechnen den Winkel genau aus, bevor sie den Ball um die Ecke ballern. Ich mache das sanft, mit der Fingerspitze. Was soll ich sagen: Es ist so ziemlich das einzige Spiel, bei dem ich eine Gewinnchance habe. Ich liebe Minigolf.

Bis vor kurzem wurde ich dafür noch ausgelacht. Minigolf war der Inbegriff deutscher Wirtschaftswunderspießigkeit. Ich sage nur: Traben-Trabach. Dort wurde 1955 die erste Anlage eröfffnet.

Aber zum Glück ist ja inzwischen alles, was gestern noch altmodisch war, heute total in. Im Zuge der allgemeinen Retrowelle kann man inzwischen im Görlitzer Park sogar im sommerwettterfesten Keller bei Schwarzlicht und Bier minigolfen. Hier muss man auch nicht warten, bis die Vorderleute endlich fertig sind (man kommt nur gestaffelt rein, am besten nach Voranmeldung), und es gibt keinen Platzwart, der einen von den Bahnen runterbrüllt. Letztere sind zwar im Prinzip genauso schlicht und fantasielos wie fast überall. Dafür ist man von fluoreszierenden Berliner Sehenswürdigkeiten an den Wänden umgeben. Wer es ganz cool mag, setzt sich eine 3-D-Brille auf, dann fängt die Bahn an zu schweben.

Neulich habe ich mein 18-jähriges Patenkind aus Arizona hergeschleppt. Hinterher fand sie, es war das Beste an ganz Berlin. „Geil!“ Ich sage nur: „Grrh!“ Ich kam nur auf den zweiten Platz. Revanche!

Bisher erschienen:

Dreischönstesachenbücher (23. Juni), Sandburgenbauen (26. 6.), Wolkengucken (2. 7.), Pingpongspielen auf Schiffen (4. 7.) und

Wörterverdrehen (7. 7.)

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