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Ganz schön warm hier. Béatrice Dalle als Betty in "Betty Blue".

© Imago

Sommerfilme: Hitze ist Spitze

40 Grad in Berlin? Unser Filmredakteur sehnt sich Abkühlung. Zum Beispiel nach „37,2 Grad am Morgen“.

Ganz wuschig wird einem dieser Tage, wenn man Wetteronline guckt. Wird das heute der heißeste Tag in Berlin seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Geburtsjahr Pablo Picassos, Victor Klemperers und Cecil B. DeMilles? Und wenn ja, werden uns die 38,7 Grad Celsius plus x aus Tegel oder aus Tempelhof gemeldet oder, wie im Juli 2007, aus dem zumindest in diesem Jahrtausend meteorologisch rekordträchtigen Müggelheim? Und, besonders knifflig, wenn es laut Vorhersage in den nächsten 13 von 14 Tagen nie kälter wird als 30 Grad, an wie vielen Tagen und Nächten der Folgewoche bleibt es dann nicht unter 40?

Sind so Fragen. Was die heißen Seiten im Netz allerdings nicht beantworten: Wie hoch liegt derzeit täglich die Verdunstungswahrscheinlichkeit des durchschnittlichen Individualgehirnwassers? Ein wahrer Hitzefilm bildet sich in den verödenden Synapsen, da mag diese Glosse noch so sehr unter dem bewusstseinserweiternden Einfluss eines körpernah platzierten Ventilators entstehen. Überhaupt Hitzefilme, da war doch was! Klar, „In der Hitze der Nacht“: Kann ich ein Schlaflosigkeitslied von singen. „Flammendes Inferno“: Na, das dann bitte doch nicht. „Manche mögen’s heiß“: Unbedingt, aber doch nicht so!

Der ultimative Hitzefilm aber, dessen Titel sogar den Wetter-Profis ins Profil passen dürfte, ist „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“. Nur: Meint das jetzt die gemessene Körperfieber- oder Außentemperatur oder gar beides? Der Franzose Jean-Jacques Beineix hat sich 1986 mit dieser Version eines wie immer gefühlstropischen Philippe-Djian-Romans – und ein paar Jahre zuvor mit „Diva“ – sorgfältig in die Filmgeschichte eingerieben. Jean-Hugues Anglade spielt darin den liebeshitzebedingt manchmal hirnrissig hingerissenen Gespielen der damals blutjungen Béatrice Dalle. Nicht verkehrt, gerade jetzt wieder in das aufregende Kinostück reinzugucken – zweckdienstlich, versteht sich.

Hier mal nur die ersten zehn Minuten, für den Anfang: Es beginnt, in einem Pfahlbau am Strand unter dem sanft segnenden Blick einer an die Lattenwand gepinnten Poster-Mona-Lisa, mit einer „unglaublichen Sexszene“, wie man in digitalen Filmlexika nachlesen kann (nun, die Szene ist eher realistisch, wenngleich zeitgemäß diskret fotografiert). Und vier, fünf gefühlte Filmminuten später erklimmt Béatrice Dalle am wohl titelspendenden Morgen Anglades Hütte, lässt links ein Köfferchen und rechts eine Reisetasche fallen und sagt: „Das ist das erste Mal, dass wir uns bei Tageslicht sehen.“ Und schon ist sie bei dem sommerjobbenden Jungschriftsteller in Gruissan Plage eingezogen, die nahe Dorstraße liegt schlapp und menschenleer in der frühen Hitze da ...

Sehr wild das alles, mit Sex, Saufen, Schwitzen, mehr Sinnlichkeit denn Sinn, und dass der katholische "Filmdienst" das Werk damals „oberflächlich und belanglos“ fand, hat sicher nicht unbeträchtlich zu seinem phänomenalen Erfolg auch in Deutschland beigetragen. Heute ist das Kino, zumindest hierzulande, braver und vernünftiger, nur das Wetter spielt verrückt. Obwohl, gerade kündigt Wetteronline in Sachen Hitzespitze für diesen Freitag nur noch 36 Grad an. Oha, Paradigmenwechsel: Sollte das der Anfang einer neuen Kältewelle sein?

Schluss jetzt, bevor hier, vom Ventilatorwinde verweht, auch noch die Grammatik versagt. Nur noch mal kurz zu Gruissan – gibt’s das eigentlich? Ja, nahe Narbonne, ein paar Meter sind’s da noch nach Spanien. Höchsttemperatur dort heute: wohltemperierte 31,2 Grad, spätnachmittags. Nichts wie hin!

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