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Sommerhits im ersten eigenen Auto. Der Citroën 2CV - auch bekannt als Ente.

© picture-alliance/ dpa-tmn

Sommerhits (4): Die Zukunft ruft in Düsseldorf

Sommerhits gehören zum Urlaub wie die Sonnenbrille. In den Ferien erzählen wir hier alle paar Tage von der besten Musik für die heiße Jahreszeit.

Es war Sommer, irgendwann zweite Hälfte der siebziger Jahre. Ich stand kurz vor dem Abi. Ich hatte schon den Führerschein, fuhr Ente, Citroën 2CV, 400 Mark hatte die damals gekostet. Aber sie fuhr, und sie hatte ein Radio, und das Rolldach ließ sich zurückrollen, ich fuhr also Cabrio an diesem Abend, es war gegen zehn. Ich kam vom Schwimmtraining aus dem Freibad, und als ich einparkte vor dem Haus Bilker Allee 136, wo ich noch mit den Eltern im zweiten Stock wohnte, klang aus dem Autoradio „Ba ba padamm, ba ba padamm, ba ba padamm, future is calling, future is calling, ba ba padamm.“ Die Anmoderation hatte ich nicht mitgekriegt, ich kannte den Song nicht, ba ba padamm, ba ba padamm, tanz auf die Zukunft mit mir, ba ba padamm“.

Die Zukunft. Oben auf dem Balkon stand Mutter, sie gestikulierte, offensichtlich schimpfte sie, aber ich verstand sie nicht „ba ba padamm, ba ba padamm, dance to the future mit mir, ba ba padamm.“ Oben in der Wohnung lag Vater auf der Couch. Er war schwer krank, nein, das stimmt nicht, er siechte nach fünf Schlaganfällen, war zu nichts mehr fähig, bekam wohl auch nichts mehr mit. Aus dem Radio klang „Cha Cha 2000, ba ba padamm.“ Weil die Mutter das körperlich nicht schaffte, hob ich in diesen Wochen und Monaten Vater in der Früh aus dem Bett, trug ihn zur Toilette, trug ihn zum Sofa, mittags, nach der Schule auch, und abends nach dem Training eben wieder zurück ins Bett. Ich saß im Wagen, „Cha Cha 2000, ba ba padamm, this will be paradise, if we open our heart, if we open our eyes, ba ba padamm, cha cha 2000.“ Oben auf dem Balkon gestikulierte Mutter, drinnen in der Wohnung siechte Vater, ich saß im Auto und hörte La Düsseldorf. In Düsseldorf. Das Stück dauert 19,35 Minuten.

Tanz auf die Zukunft mit mir

40 Jahre später höre ich immer noch La Düsseldorf, vorwiegend freitags, vorwiegend „Cha Cha 2000“, ba ba padamm, ba ba padamm, ba ba padamm.

Ich werde damals im Auto wohl geahnt haben, dass es mit Vater nicht mehr lange gehen wird. Er starb dann auch im folgenden Winter. Mit Sicherheit nicht geahnt habe ich damals, dass die Mutter ihm drei Wochen später nach seinem Tod folgte. Das war in einer Nacht von Freitag auf Samstag, an diesem Samstag hatte ich die Abiturklausur in Deutsch zu schreiben. „Cha Cha 2000, ba ba padamm, ba ba padamm, future is calling, tanz auf die Zukunft mit mir …“

Musik kann Leben retten

Am Ende singen La Düsseldorf „And it’s future d’amour.“ Als das Stück verklungen war, stieg ich aus, schloss das Dach, ging hoch in die Wohnung, versorgte den Vater. „Wo bleibst du denn da unten im Auto“, raunzte Mutter. „Hab Radio gehört“, murmelte ich.

Musik kann eben Leben retten. Nicht alle. Aber mir hat sie auf jeden Fall in dieser lauen Sommernacht schon mal beigebracht, dass es immer weitergeht, cha cha 2000, ba ba padamm, ba ba padamm.

Bisher erschienen in der Sommerhits-Serie: Teil eins über Hildegard Knefs "Ferienzeit", Teil zwei über Holländische Piratenmusik und Teil drei über Bilderbuchs "Bungalow"

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