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Kultur: Sommerhits

Wer sich nicht bewegt, wird unsichtbar. Doch gerade wenn man anhält, schärfen sich die Sinne für unsere permanenten Wechsel.

Wer sich nicht bewegt, wird unsichtbar. Doch gerade wenn man anhält, schärfen sich die Sinne für unsere permanenten Wechsel. Von genau diesen Zuständen – dem plötzlichen Stillstand inmitten der Raserei – erzählt der Dresdner Künstler Christian Kroth in seiner neuen Ausstellung „Continuous Arrival“ in der Produzentengalerie Diskus (Brunnenstraße 196, bis 28. Juli). Er hebt was auf und stellt’s zusammen. Eigentlich ganz simpel. Leere Weinflaschen, eine Wolldecke, ein zerbrochenes Stück Panzerglas, bunte Schlafsackhüllen und weiße Schaumstoffmatten. Ein Schutzgitter vom Warmluftschacht stellt er hochkant. Und am Schluss schweißt er alles kompakt in Plastikfolie ein. Damit versteckt er ganze Bildgeschichten hinter einer Schutzschicht – die „Homeless-Story“ im Hygienepack. Kroth, Absolvent der traditionsreichen Dresdner Kunsthochschule, ergänzt seine „Zeitzeugen-Konglomerate“ mit figürlichen Miniaturen. Die kleinen, kaum 30 Zentimeter hohen Bronzen (2500 bis 3800 Euro) halten Bewegungsstudien mit viel Hintersinn und Ironie fest. Der „Mann auf der Schaukel“ ist so ein Fall. In Anzug und Budapesterschuhen sitzt da einer mitten im Leben auf der Kinderschaukel. Ohne zu schaukeln.

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Dafür schwingt, schwappt und schaukelt es umso mehr in den fünf Installationen von Frederik Foert . Ihm geht es um eine ganz andere Art der Bewegung – um ein Ausmessen ohne Raumgewinn, um Rotation ohne Ziel, Sinn und Ergebnis. Die Ausstellung „Viva Las Vegas“ in der Galerie Jarmuschek und Partner (Sophienstraße 18, bis 31. Juli, Preise auf Anfrage) bringt die Fantasie auf Touren und zelebriert Bewegung als Kunstakt im Stillstand. Da wedelt ein Scheibenwischermotor großzügig ausgreifend ein Bandmaß durch die Luft und beschreibt so den „dehnbaren Kunstbegriff“. Den „Ur-Meter“ gibt es in der Kunst eben nicht. Auch beim „Blumenstillleben“ geht’s um Parameter, die wackeln. Da taumeln Lilienblüten zuoberst auf zwei weißen Blechregalen, die ineinander gestellt scheinbar vergeblich nach der Balance suchen. Immerhin richtet sich das Ensemble zu gefährlicher Höhe auf. Ganz Haltung, aber nirgendwo Halt. Mit einfachsten Materialien, und weit entfernt vom aktuellen Trend zu Bombast, Dekor und Kunst- to-go, ist Foert so ein echter Sommerhit gelungen. Fast versteckt aber unbedingt ansehenswert ist seine kleine kinetische Kostbarkeit mit dem Titel „Kill Bill“. Direkt auf der Wand entsteht nach und nach eine paradoxe Schraffur. Eine Zeichnung, ja. Aber zum Mitnehmen nichts.

Thea Herold

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