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Muscheln am Strand.

© dpa

Sommersouvenirs (11): Muscheln: Währung aus dem Wasser

Was man so mitbringt von der Urlaubsreise: Schönes und Seltenes, Nützliches und Überflüssiges, Trinkbares und Tragbares. Unsere Ferienserie mit kleinen Geschichten von Menschen und Dingen.

Sie klackern leise in der Jackentasche, hinterlassen Sandkörner im Koffer, Kalkstaub und Meersalzgeruch. Muscheln sind Urlaubswährung. Man sammelt sie ein, und nach der Heimkehr beweisen sie dir: Du warst weg, sehr weit weg. Selbst wenn es nur Usedom war oder Fischland, du hast die Ozeandampfer gesehen und die Krümmung des Planeten, bist mit nackten Füßen am Wassersaum gelaufen, den halben Tag bis ans Ende der Tage, mit Möwengeschrei und dem Rauschen der Brandung im Ohr. Die Muschel macht bare Münze daraus.

Muschelgeld, Muschelbank, Muschelperle, Muschelwörter. Die schönsten stammen von Uwe Johnson, vom Anfang der „Jahrestage“. „Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand kippen.“ In Sprache gegossene Ostsee. Und weiter: „Der straffe Überschlag, schon weißlich gestriemt, umwickelt einen runden Hohlraum Luft, der von der klaren Masse zerdrückt wird, als sei da ein Geheimnis gemacht und zerstört worden.“ Die ersten Sätze des 1700-Seiten-Epos, der runde Hohlraum Luft, eine Welt tut sich auf zwischen zwei Wortmuschelschalen.

Der schönste Am-Wasser-Langlaufen-Satz folgt kurz darauf: „Das Wort für die kurzen Wellen der Ostsee ist kabbelig gewesen“. Kabbelig ist auch die gewellte Schale der Herzmuschel, weiß und beige und mit braunen Streifen dazwischen – jedes Jahr ein neues, fein gefälteltes Souvenir vom Adriastrand. Du läufst, denkst an nichts und bückst dich hier und da, nach einem zum Handschmeichler geschliffenen Holzstück, einem weiß gerindeten Feuerstein, einer winzig kleinen Schneckenmuschel.

Strandgüter sind Zufallsfunde, nichts Schlimmeres als stur zu Boden starrende Bernstein-Sucher. Konzentrieren kann ich mich auch im Büro.

Das Urzeitalter des Nautilus

Die schrundige Auster mit ihrem schillernden Perlmutt-Innenfutter; der Mini-Seeigel, der mit den Jahren seine letzten Stacheln verliert; die Jakobsmuschel samt ihrem Seepockenbewuchs und – jüngster Neuzugang – ein ebenfalls seepockenübersäter, himmelhellblauer hölzerner Schwimmer von der Nordsee. Ist’s eine Klampe? Winsche? Seemannsgarnwinde? Egal, all die Fundstücke zu Hause auf der Fensterbank künden vom Urzeitalter des Nautilus, vom marinen Wesen des Menschen (70 Prozent Wasseranteil!), von der Geburt der Schönheit zudem, die ja auf einer Venusmuschel aus den Fluten emporstieg. Vor allem künden sie vom kurzen Glück des weiten Horizonts, damals beim Spaziergang am Strand.

Bisher erschienen: Bücher in fremden Sprachen, Flüssiges im Handgepäck, Lavendel, Blankbooks, Schalmeien, Steine, Keramik, Limoncello, Magneten, Ansichtskarten.

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