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Kultur: Sommersprossen

Späte Entdeckung: Fotografien von Jan George bei Springer

Berlin, seine Geschichte, die Gebrochenheit seiner frühen Jahre, auch die Sommersprossen, die Hildegard Knef besungen hat, haben in der Fotografie ihren abschließenden Ausdruck gefunden. Sollte man meinen: Was lässt sich noch hinzufügen zu den Klassikern, zu Henry Ries’ unerschöpflichem Fundus von Zeitgenossenschaft, zu Will MacBrides Zeugnis für Jugend und Melancholie in den Fünfzigerjahren, zu der Ostberliner Perspektive, die die Entdeckung eines bedeutenden Fotografen wie Arno Fischer dem Berlin-Bild inzwischen hinzugesellt hat?

Und dann tauchen aus den Tiefen des Stadtschicksals doch wieder neue Bilder auf. Der Autor heißt Jan George; im Alter von 71 Jahren hat er jetzt seine erste Ausstellung. Deren stärkste Momente sind Bilder vornehmlich aus den Fünfziger- und beginnenden Sechzigerjahren, mit einem Schwerpunkt um die Zeit vor und während des Mauerbaus. Die verhangene, nachkriegsleere Stelle an der Grenze, die wenig später zum Checkpoint Charlie wurde. Ein Blick von ganz oben auf den Potsdamer Platz, der dabei ist, zum Niemandsland zu werden. Der ausgeweidete Anhalter Bahnhof und der zerlegte Neptunbrunnen. Daneben viel historisches Westberlin – der junge Günter Grass, der Schriftsteller Wolfdietrich Schnurre, ein charaktervolles Porträt von Julius Posener.

Das legt eine Spur: Jan George ist der ältere Sohn von Heinrich George, der Bruder also von Götz George. Seine Fotografen-Karriere ist nicht sehr konsequent, Regie- und Schauspielversuche kamen hinzu. Es gibt in Georges Bildern auch keine ganz eindeutige Handschrift, dafür vieles Gelungene, auch aus den letzten Jahren, in denen er in Farbe gearbeitet hat. Doch den Grundton setzt George als Berlin-Fotograf, der die Stadt als Bühne für Misere, Drama und ein unverdrossenes Kultur-Milieu gesehen hat. Es passt dazu, dass es Rudolf Springer ist, Urvater der Berliner Galeristen, der diesen Fotografen ans Licht gezogen hat. Er zeigt ihn in seiner Wohn- und Arbeitszimmer-Galerie in seinem Haus in Zehlendorf, in dem er, inzwischen 94-jährig, an seine Anfänge als Kunsthändler anknüpft.

Galerie Springer, Schillerstraße 10. Noch bis 31. Juli, dienstags bis freitags 14 bis 18 Uhr.

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