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Kultur: Songs für die Seele

JAZZ

Der stärkste amerikanische Impuls ist seit jeher gewesen, sich das eigene Land als free country zu denken – als unbegrenzt und grenzenlos. Der Impuls, für die Idee der Freiheit eine musikalische Sprache zu entwickeln, reicht bis weit in die Blues- und Country-Tradition zurück. Als frei sein noch nicht als ästhetischer Modus erlebt, sondern als Versprechen mehr oder weniger stoisch erwartet wurde. Wie in dem „Lonesome Road Blues“, in dem ein Haftentlassener über einsame Straßen zieht, ohne dem Schmerz seiner aufgescheuerten Knie und ausgedörrten Eingeweide zu entkommen. In „This Land Is Your Land“ wusste Woody Guthrie wenigstens schon, dass das Land für ihn und seinesgleichen gemacht war – gleichgültig, was alle anderen davon hielten.

Wenn der New Yorker Jazzgitarrist Joel Harrison jetzt mit Free Country (Act) Überarbeitungen von Klassikern wie „Hell Broke Loose In „Georgia“, „Wayfaring Stranger“ oder Guthries Aussteiger-Hymne vorlegt, so kann er auf Texte weitgehend verzichten. Die Songs sind so sehr ins Bewusstsein eingegangen, dass sich ihr Sinn von alleine erschließt. Harrison bewahrt denn auch ihre Schlichtheit, obwohl er sie auf eine wundervolle Weise neu zusammensetzt. Seine fünfköpfige Band, zu der sich Gäste wie die Sängerin Norah Jones und der Avantgarde-Pianist Uri Caine gesellen, entdeckt in dem alten Material eine entwaffnende Klarheit. Ob Johnny Cash, B.B. King, A.P. Carter oder Merle Haggard – ihr Erbe wird wie durch ein Prisma gebrochen, so dass es eine Freiheit beschwört, von der alles Provinzielle abgefallen ist. Die Lichtspuren des alten Amerika werden in Richtungen umgelenkt, die Jazzmusiker selten einschlagen.

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