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Für Hollywood. Manteau pour Gloria Swanson, 1927.

© Pracusa

Sonia Delaunay-Ausstellung in Paris: Tanz der Farben

Von wegen die Frau an seiner Seite: In Paris wird endlich das Werk von Sonia Delaunay gewürdigt. Die Künstlerin verriet sich nie an die Verkäuflichkeit.

Wenn Künstler des 20. Jahrhunderts als Paar gearbeitet haben, fiel in der öffentlichen Wahrnehmung für den weiblichen Teil meist das Kunsthandwerk als Anteil ab. Zumindest nicht die „reine“ Kunst. So war es bei Alexander Rodtschenko und Warwara Stepanowa, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, Jean Arp und Sophie Taeuber-Arp – und Robert und Sonia Delaunay. Die Einzelausstellung von Sonia Delaunay im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris räumt mit dem Vorurteil auf. So gründlich, dass man sich hinterher fragt, was Robert, dieser weiche und empfindsame, gegen Ende seines allzu kurzen Lebens kränkelnde Mann zur Kunst „der Delaunays“ beigetragen hat, das die bis ins hohe Alter aktive Sonia nicht selbst erfunden hätte?

Sonia Delaunay führte einen großzügigen salon

Als Sonia Terk kam die 21-jährige russische Jüdin 1906 nach Paris und tauchte sofort in die Avantgarde ein. Stoffe, Muster, Design waren für sie kein Gegensatz zur reinen Kunst, die Robert Delaunay praktizierte, den sie im Folgejahr kennenlernte. Die Farbe in all ihrer Leuchtkraft verband die beiden, und nach dem Durchgang durch den Fauvismus kam Sonia zur Abstraktion, die sich wunderbar sowohl auf der Leinwand wie mit Flicken aus Stoff erreichen ließ. Die Pariser Ausstellung unterscheidet nicht zwischen den Materialien. Sie lässt das programmatische Bild des „Bal Bullier“ von 1913, die ekstatische Szenerie eines Pariser Ballhauses, neben ihren „simultanistischen Kleidern“ aufleuchten oder den „Prismen“ und „Scheiben“, bei denen die Autorschaft von Sonia oder Robert kaum auseinanderzuhalten ist.

Die Delaunays, eine Zeit lang abgesichert durch Roberts ererbtes Vermögen, führten in der Zwischenkriegszeit einen großzügigen Salon, nachdem sie sich während des Ersten Weltkriegs ins portugiesische Exil flüchten konnten. Mode wurde zu einer der wichtigsten Kunstformen, und Sonia, die bereits für die „Ballets russes“ des in Monaco beheimateten Impresarios von Sergej Dhiagilev Kostüme entworfen hatte, konnte nun mit ihren extravaganten Roben glänzen. Passend zur Kleidung entwarf Sonia auch eine Autokarosserie in geometrischen Mustern. Ihre Stoffe ließ sie in einer rotierenden Maschinerie vor dem Auge vorbeiziehen, die Bewegung als ein Element ihrer Kunst unterstreichend. Dieses Schaufenster ist in der Ausstellung nachgebaut, wie überhaupt ein fröhlicher Gemischtwarenladen entstanden ist, in dem die „reine“ Kunst nur eine Ausdrucksform unter anderen bildet.

Drei Tafeln für den "Pavillon der Luft(fahrt)"

Auch die Delaunays wurden von der Weltwirtschaftskrise gebeutelt und mussten sich verkleinern. Die Weltausstellung bot 1937 die Chance, abstrakte Malerei im großen Maßstab des Wandbildes auszuführen, was Robert mit seinen Fresken für die Pavillons „der Luft“ und „der Eisenbahn“ einen späten Triumph beschert. Sonias Arbeit stand demgegenüber bislang zurück, dabei erhielt sie für ihr Wandbild „Portugal“ – eine Reminiszenz an die Jahre des Exils – eine Goldmedaille. Für den „Pavillon der Luft(fahrt)“ schuf Sonia drei große Tafeln, die zum ersten Mal seit 1937 ausgestellt sind und den Raum im Palais de Tokyo – selbst ein Überbleibsel der Weltausstellung von 1937 – geradezu sprengen.

1941 erlag Robert einem Krebsleiden im Süden, dem unbesetzten Teil Frankreichs. Sonia arbeitete weiter mit Kreisformen und starken Farben, vorzugsweise im Bereich grafischer Techniken wie der Lithografie, für die es in Frankreich stets eine kultivierte Käuferschicht gab.

Pariser Ausstellung mit kräftigen Farben

Die Abstraktion, einst eine Provokation, war längst in den „guten Geschmack“ eingemeindet. Dass gerade die Mode- und Stoffentwürfe für die Akzeptanz seitens des im Grunde stockkonservativen französischen Publikums gesorgt haben, lässt sich beim Durchgang durch die materialreiche Pariser Ausstellung deutlich erkennen. Sonia Delaunay hat einen erheblichen Anteil daran, ohne dass sie ihre künstlerischen Experimente jemals an bloße Verkäuflichkeit verraten hätte. Ihre kräftigen Farben sind ohnehin so frisch wie am ersten Tag.

Paris, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, bis 22. Februar. Katalog 44,90 €

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