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Kultur: Sonntags Schäuble: Hauptstadtkultur - nicht nur für Berlin

Dass Berlin deutsche Hauptstadt ist, also auch Sitz von Parlament und Regierung, darüber wird glücklicherweise nicht mehr gestritten. Sogar die Berliner selbst haben sich mit den damit verbundenen Zumutungen abgefunden.

Dass Berlin deutsche Hauptstadt ist, also auch Sitz von Parlament und Regierung, darüber wird glücklicherweise nicht mehr gestritten. Sogar die Berliner selbst haben sich mit den damit verbundenen Zumutungen abgefunden. Berlin wächst wirklich im eigenen Verständnis wie im Bewusstsein aller Deutschen in die Rolle der Hauptstadt. Und aus dem Ausland strömen die Besucher, fasziniert von dieser Stadt im Umbruch, voller Dynamik und Veränderung.

Vielfalt und Attraktivität kultureller Angebote gehören dazu. Weil Berlin das Erbe von Ost und West nicht allein tragen kann, und weil eine Hauptstadt immer Sache des gan-zen Landes ist, sind finanzielle Probleme ebenso zwangsläufig wie unterschiedliche Akzente zwischen der Stadt und dem Rest der Länder, wer wieviel von welchen finanziellen Verantwortlichkeiten tragen soll. So entsteht eine Debatte über Hauptstadtkultur. Die führt dann neben den finanziellen Aspekten schnell zu der Frage, was etwa gesamtstaatliche Repräsentation kulturpolitisch bedeuten könnte.

Der scheidende Kulturstaatsminister Michael Naumann hat sich nach der Art von Eddie Constantin "Hoppla, jetzt komm ich" in diese Debatte gestürzt und sein Talent zur Selbstinszenierung vielfältig bewiesen. Für die zwei entscheidenden Fragen allerdings hat ihm jedes Verständnis gefehlt, nämlich zum einen dafür, dass es für einen föderalen Bundesstaat nicht ohne weiteres unproblematisch ist, wenn die große Metropole zugleich Hauptstadt ist. Andere Bundesstaaten wie die Schweiz oder die USA haben das anders gelöst; und Paris oder London sind umgekehrt eben gerade Hauptstädte von zentralistisch aufgebauten Staaten. Zum anderen, dass unser Verständnis von Freiheit von Kunst und Kultur von der Kulturpolitik bei allem Engagement eher Zurückhaltung erfordert. Wir wollen weder eine Staatskultur noch eine von Regierung oder Parlamentsmehrheiten festgelegte Hierarchie kultureller Einrichtungen.

Der Föderalismus hat in Deutschland nicht nur einen viel größeren Reichtum an kulturellen Einrichtungen hervorgebracht, sondern durch die Vielfalt der Entscheidungsträger und Fördereinrichtungen zuauch für Unabhängigkeit und für Wettbewerb gesorgt. So wird die notwendige Sensibilität in der Kulturpolitik durch das bundesstaatliche System institutionell gefördert. Weil Sensibilität nicht zu den besonderen Merkmalen des kulturpolitischen Verständnisses von Naumann gehört, ist es gut, dass er seine Arbeit beendet. Sein Auftrag war wohl auch eher, kulturpolitisches Engagement der Regierung medienwirksam darzustellen. Das hat sich erschöpft, wie bei Stollmann und Hombach. Der Lack der Inszenierung blättert ab.

So bleibt bei dem Wechsel die Hoffnung auf mehr Substanz. Die wird eher in einer Stärkung der föderalen Kulturförderung liegen. Gäbe es den Kulturföderalismus nicht, so müsste er geradezu erfunden werden. Aber die Länder müssen ihren Zuständigkeiten auch gerecht werden, und die bestehen auch für die Hauptstadt, die eben Sache nicht nur der Berliner, sondern aller Deutschen ist. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ein Modell, wie Bund und alle Länder ihre Verantwortung wahrnehmen könnten und dabei zugleich die Staatsferne in der Kulturpolitik sicherstellen.

Den Föderalismus erhält nur, wer sich nicht nur dem eigenen Teil, sondern zugleich dem Ganzen verpflichtet weiß. Und da bleibt noch viel zu tun, für den Bund und auch für die Bundesländer. Nicht nur das kulturelle Leben in unserer Hauptstadt wird es danken.

Wolfgang Schäuble ist Präsidiumsmitglied

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