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Sotheby’s: Fauler Zauberer

Die New Yorker Herbstauktionen laufen glänzend – für Sotheby’s. Es gab wieder haufenweise Rekordpreise.

Der Dollar ist nicht mehr, was er einmal war, aber verewigt als Kunstwerk ist sein Wert gesichert. Das bewies ein Telefonbieter, der bei Sotheby’s in New York 43,7 Mio. Dollar für Andy Warhols großen Siebdruck „200 One Dollar Bills“ bezahlte. Es gibt wieder Megapreise auf dem Kunstmarkt. Das Bild gehörte der Londoner Sammlerin Pauline Karpidas, die 1986 dafür 385 000 Dollar ausgab. Als Händler Larry Gagosian dann für ein von Warhol säuberlich gezeichnetes Bündel Dollarnoten 4,2 Mio. Dollar zog und Juwelier Lawrence Graff für 6,1 Mio. Dollar das Selbstporträt ersteigerte, das Warhol vor 42 Jahren seiner Sekretärin schenkte, schickte Sotheby’s eine Eilmeldung los.

Sotheby’s Chefauktionator Tobias Meyer machte nach der Auktion das V- Siegeszeichen und strahlte: „Nur zwei Lose unverkauft“. Sotheby’s hat den Markt nicht nur mit dem Superpreis überrascht, sondern auf ganzer Breite geglänzt: 134 Mio. Dollar für 52 Lose, das war ein Drittel mehr als die oberste Schätzung. 96 Prozent der Lose, 99 Prozent nach Wert wurden verkauft – das hat es in einer Zeitgenossen-Auktion seit fast zwei Jahrzehnten nicht gegeben. Marktteilnehmer beeilten sich denn auch, das Ende der Rezession auszurufen. In London stellte der Investmentmanager Bernard Duffy einen neuen Kunstfonds vor und prophezeite einen „mehrjährigen Bullenmarkt für die Kunst“. Der Grund ist einfach: Angst vor Inflation und Geldentwertung. In Kunst verwandelt, so die Theorie des Investments, sind die Dollars sicher.

Es gab wieder haufenweise „Rekordpreise“ – für eine Papierarbeit von Jackson Pollock, eine Neonarbeit von Bruce Naumann (4 Mio. Dollar). Auch die muntere Parisszene „Trinité-Champs-Elysées“ von Jean Dubuffet brachte einen Rekord. Sie gehörte dem holländischen Finanzier Louis Reijtenbach, dessen Banken einen durch Kunstwerke gesicherten Kredit zurückgeklagt hatten. Der Notverkauf wurde wenigstens bei Dubuffet ein kleines Geschäft: 2006 hatte Reijtenbach 5,16 Mio. Dollar bezahlt, nun spielte er 6,13 Mio. Dollar ein.

Den Weg hatte Christie’s am Vorabend mit einer auf dem Papier unscheinbaren, aber in der Praxis gar nicht so schlechten Auktion bereitet. Peter Doigs meisterliche „Reflection“ verfehlte mit 10,1 Mio. Dollar nur wegen der Dollarschwäche den legendären Londoner Rekordpreis des „White Canoe“ von 2007. Damals hatte der Preis den Markt geschockt, galt als Musterbeispiel irrationalen Verirrung und überschäumender Spekulation. Kenner prophezeiten, dass er „auf Jahre“ nicht noch einmal von einem Doig-Werk erreicht werden würde. Nun ist er fast normal. Zufrieden kann auch Benedikt Taschen sein, der drei Werke versteigern ließ, darunter Jeff Koons leuchtenden Holzblumenstrauß, den Wolfgang Joop 2000 für 663,750 Dollar versteigern ließ. Er kostete nun 5,7 Mio. Dollar.

In der Vorwoche hatte Sotheby’s in der Abendauktion Impressionisten und Moderne für 182 Mio. Dollar versteigert. Berichte und Kommentatoren streichen nun heraus, wie rasant sich der Kunstmarkt zu erholen scheint. Erst vor einem Jahr platzte in New York die Blase, als in den Abendauktionen über ein Drittel der Lose unverkauft blieb. Eine globale Baisse wurde ausgerufen, der Umsatz im Kunsthandel, auf Messen, in Auktionen ging drastisch zurück. Nun scheint der Spuk vorbei zu sein. Die Reichen fühlen sich wieder reich.

Doch so, wie viele den Markteinbruch übertrieben und Umsatzrückgänge mit Preisabstürzen verwechselten, laufen sie nun Gefahr, den Maßstab zu verlieren. Die Erfolge dieser Woche entstanden aus einem Missverhältnis zwischen dem erwachten Investitionswillens der Kunstkäufer und einem rigoros ausgedünnten Angebot. Nach einem Jahr Schonkost ist der Markt ausgehungert. Mit einer Rosskur des Verzichts haben die Auktionshäuser Schätzungen und Preise radikal gedrückt und die Erwartungen der Verkäufer gedämpft, die in der Bubble-Phase von 2006 bis 2008 zu gierig wurden. Damit wurden die Voraussetzungen für einen neuen Realismus geschaffen.

Wie die Situation wirklich ist, sieht man an den Katalogen. Ehemals telefonbuchgroße Edelschinken haben nun wieder das alte, schmale und viel handlichere Format. Das ist, was man dem Auktionsmarkt wünscht: Rückkehr zu Normalität und kritisches Preisbewusstsein, die echtes Zukunftsvertrauen schafft.

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