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Kultur: Sotto voce: Jörg Königsdorf über Kritiker, die es endlich besser machen

Als vor ziemlich genau einem Jahr Udo Zimmermann seine Nachfolgelösung für Christian Thielemann präsentierte, gehörte Kwamé Ryan mit zu den drei jungen Dirigenten, die den Kurswechsel an der Deutschen Oper einleiten sollten. Aus dem Revirement wurde bekanntlich nichts und der präsumtive Generalmusikdirektor Fabio Luisi wieder zugunsten Thielemanns herausgekegelt.

Als vor ziemlich genau einem Jahr Udo Zimmermann seine Nachfolgelösung für Christian Thielemann präsentierte, gehörte Kwamé Ryan mit zu den drei jungen Dirigenten, die den Kurswechsel an der Deutschen Oper einleiten sollten. Aus dem Revirement wurde bekanntlich nichts und der präsumtive Generalmusikdirektor Fabio Luisi wieder zugunsten Thielemanns herausgekegelt. Geblieben ist bislang die geplante Zusammenarbeit mit Ryan, der mit etwa 15 Vorstellungen jährlich zumindest einen zaghaften Gegenakzent zur Berliner Wagner-Strauss-Kultur setzen soll. Publicity ist ihm dabei sicher (zum Glück, denn die hilft, auch bei der viel schwierigeren, zeitgenössischen Musik das Haus zu füllen): Nicht nur, weil Dirigenten mit dunkler Hautfarbe immer noch Ausnahmeerscheinungen sind, sondern auch, weil der 30-jährige Freiburger Generalmusikdirektor zu den wenigen Hoffnungsträgern der internationalen Klassik-Szene gehört. Denn Ryan kommt als ehemaliger Schüler des rumänischen Komponisten-Dirigenten Peter Eötvös zwar von der Neuen Musik her, überblickt aber von diesem Standpunkt aus das gesamte Klassik-Repertoire. Dass er dadurch im Einzelfall zu Ergebnissen kommt, die von der Klassik-Routine abweichen, versteht sich von selbst - das Programm, mit dem er am Montag im Konzerthaus gastiert, weicht schon durch die Werkfolge vom üblichen Kombinationsschema ab. Mit dem Freiburger Barockorchester und dem Ensemble Modern treffen unter seiner Leitung zwei Spitzen-Ensembles von entgegengesetzten Enden der Repertoireparabel zusammen. Vielleicht stellt sich dabei ja heraus, dass diese Enden sich einander annähern, dass die "Hipocondrie" des barocken Genie-Exzentrikers Jan Dismas Zelenka gar nicht so weit entfernt von György Ligetis Hamburgischen Hornkonzert mit seinen historisierenden Formspielereien liegt.

In ihrem Bemühen um die Festschreibung werkspezifischer Klangbilder vereinigen sich Neue und Alte Musik ja geradezu oppositionell gegen den stilistischen Pauschalzugriff, mit dem das klassisch-romantische Repertoire meist gespielt wird. Eine Gemeinsamkeit, die in Ryans Programm durch Mark Anthony Turnages für modernes und historisierendes Ensemble zugleich geschriebenes und essayistisch-sinnig "About Time" betiteltes Stück ganz direkt zum Ausdruck kommt. Allein die in ihrer Art einmalige Turnage-Komposition sollte Neugierige scharenweise ins Konzert treiben.

Freilich, die mit Abstand ungewöhnlichste Konzertidee seit langem hatte ausgerechnet das Deutsche Kammerorchester, das sich unter seinem neuen Manager Stefan Fragner erfolgreich von seinem alten Wunschkonzert-Image emanzipiert hat. Der Programmzettel für das Konzert am Mittwoch liest sich mit Mendelssohn, Beethoven und Mozart diesmal zwar relativ harmlos, umso spektakulärer ist die Besetzung im Kammermusiksaal der Philharmonie: Als Solist in Beethvoens c-moll-Klavierkonzert tritt der beliebte und hauptamtlich bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschäftigte Musikkritiker Jürgen Otten auf, dirigieren wird sein Kollege Peter Uehling von der Berliner Zeitung. Natürlich ist bei diesem Gipfeltreffen auch der Tagesspiegel dabei: Der für seine gewinnende Eloquenz bekannte Musikredakteur Frederik Hanssen wird das Programm moderieren. Nur wer die Kritiken schreibt, ist noch unklar. Vielleicht traut sich ja ein Musiker.

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