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Soul-Legende: Smokey Robinson wird 70

Smokey Robinson war nie ganz von der Bildfläche verschwunden. In aller Gelassenheit arbeitet er an seinem Alterswerk. Gemächlichkeit steht allerdings in Kontrast zur stürmischen Frühzeit seiner Karriere.

Es wurde wenig Aufhebens gemacht, als der 69-jährige Smokey Robinson im letzten Sommer eine neue Platte herausbrachte. Dabei offenbart „Time flies when you’re having Fun“ zeitlose Qualität: Es dominieren samtige Soulballaden, die Robinson mit seiner immer noch geschmeidigen Falsettstimme durch melodische Verästelungen lotst. Dazu riskiert der Altmeister ein paar Hüpfer in Richtung Dancefloor und lädt Gäste wie Joss Stone und Carlos Santana ein. Das Problem war eher, dass hier gerade nicht eine vergessene Soul-Legende ihr Comeback versuchte: Smokey Robinson war nie ganz von der Bildfläche verschwunden. In all den Jahren seit seiner Glanzzeit hatte man sich daran gewöhnt, zwar selten, aber regelmäßig von ihm zu hören.

Die Gemächlichkeit steht allerdings in Kontrast zur stürmischen Frühzeit seiner Karriere. Als Teenager gründete Smokey Robinson Mitte der fünfziger Jahre die Gesangsgruppe The Matadors, mit denen er durch seine Heimatstadt Detroit tingelte, bis ein geschäftstüchtiger Firmengründer aufmerksam wurde: Berry Gordy erkannte das Talent des jugendlichen Künstlers und nahm die in The Miracles umbenannte Band für sein Motown-Label unter Vertrag. Robinson, den seither eine enge Freundschaft mit dem zehn Jahre älteren Gordy verbindet, wurde als Vizepräsident und zuverlässiger Hitlieferant zum Impulsgeber der jungen Firma, die mit originärem Sound den weißen Pop-Markt eroberte: Motown ersetzte die existenzielle Leidenschaft des Southern Soul durch Eingängigkeit und Tanzbarkeit, was in einer unglaublichen Erfolgsgeschichte mit über 100 US-Top-10-Hits mündete.

Robinson entdeckte künftige Stars wie die Supremes und komponierte Evergreens für Mary Wells („My Guy“), die Temptations („My Girl“) und den jungen Marvin Gaye. Nachdem ihm in dem genialen Komponisten-Trio Holland/Dozier/Holland eine hausinterne Konkurrenz erwuchs, mit deren fließbandmäßiger Effizienz er nicht mithalten konnte, konzentrierte er sich auf die Verfeinerung der Songs für seine Miracles: die schlichten Boy-meets-Girl-Geschichten wichen komplexen Miniaturdramoletten. Das perfekt choreografierte „The Tears of a Clown“ wurde zum künstlerischen Triumph eines Songschreibers, den nicht nur Bob Dylan als einen der größten aller Zeiten bezeichnete.

Nach der Trennung von den Miracles verlief Robinsons Solokarriere eher unspektakulär, obwohl ihm mit dem 1975er Album „A Quiet Storm“ nochmals ein Meisterwerk gelang. Sein vergleichsweise tugendhafter Lebenswandel wurde in den achtziger Jahren von einer Kokainsucht überschattet. Seit der Genesung mithilfe eines religiösen Wunderheilers, von der Robinson in seiner Autobiografie „Smokey“ berichtete, arbeitet er in aller Gelassenheit an seinem Alterswerk. Heute feiert Smokey Robinson seinen 70. Geburtstag. 

Jörg W, er

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