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Kultur: Soziale Marktwirtschaft: Guter Rat ist teuer. Für 60.000 Euro schrieb Roland Berger mit am Merkel-Papier - einige Vorschläge sind schon Gesetz

Wenn der Vorstand eines Unternehmens nicht mehr weiter weiß, holt er sich einen Unternehmensberater ins Haus. Der empfiehlt - nachdem er das Problem analysiert hat - Veränderungen, die der Konzernvorstand umsetzen kann oder auch nicht.

Wenn der Vorstand eines Unternehmens nicht mehr weiter weiß, holt er sich einen Unternehmensberater ins Haus. Der empfiehlt - nachdem er das Problem analysiert hat - Veränderungen, die der Konzernvorstand umsetzen kann oder auch nicht. Bekannt sind die Beratungsfirmen wie McKinsey oder Roland Berger vor allem für ihre rigorosen Vorschläge, Arbeitnehmer zu entlassen und dadurch das Unternehmen zu rationalisieren und den Gewinn zu maximieren. Denn die Berater, auch Consultants genannt, denken betriebswirtschaftlich, eventuell auch volkswirtschaftlich - soziale, ökologische oder gesellschaftliche Folgen bedenken sie bei der Umstrukturierung eines Unternehmens nur in Ausnahmefällen.

Für 60 000 Euro hat die Unternehmensberatung Roland Berger in den vergangenen Wochen der CDU-Chefin Angela Merkel ein Programmpapier zur "Neuen Sozialen Marktwirtschaft" geschrieben. Dabei hat Roland Berger der CDU die neoliberalen Ideen ins Programm geschrieben, die er auch als "Botschafter" der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" verkündet. In der Gruppe um den ehemaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer bemühen sich von Wolfgang Clement (SPD) über Oswald Metzger (Grüne) bis Edmund Stoiber (CSU) Politiker und Unternehmer um "zeitgemäße Antworten auf die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Fragen".

Die Antworten finden sich nun in dem Papier für CDU-Chefin Angela Merkel: Hochschulen sollen "wettbewerbsorientiert neu ausgerichtet" werden, Arbeitnehmer länger arbeiten, Studenten kürzer studieren, Schüler kürzer zur Schule gehen, dabei allerdings in den neuen Schulfächern mehr Fremdsprachen, mehr Natur- und Wirtschaftswissenschaften und vor allem die "Schlüsselqualifikationen Medienkompetenz und Kommunikationsfähigkeit" lernen. Wie die Länder diese Bildungspolitik finanzieren oder durchführen sollen, verschweigt das Papier.

Unklar bleibt auch, wie eine "grundlegende Neuordnung des Steuerrechts" mit einem Stufentarif von zehn, 20 und 35 Prozent finanziert werden soll. Dabei ist ein Stufentarif unter Experten umstritten, hat sich doch der geltende linear-progressive Tarif bewährt. Unstrittig ist lediglich, dass niedrigere Steuersätze als die geltenden für die Bürger und Unternehmen angenehmer wären. Merkel und ihr Autor Berger fordern nicht nur für die Steuerpolitik Dinge, die es längst gibt. So wird das Existenzminimum bereits jetzt nicht besteuert und die Menschen werden sich eine Zusatzrente selbst finanzieren müssen.

Erstaunlich muten auch die Vorschläge zur Gesundheitsversorgung an. Merkel strebt an, dass die gesetzliche Krankenversicherung sich auf "Kernleistungen" konzentriert. In Zukunft sollen nur noch "große Lebensrisiken wie zum Beispiel schwere Krankheiten" abgesichert sein. Alles andere soll der Bürger selbst zahlen. Aber: Muss der Mensch Grippe oder Krebs haben, bevor die Krankenkasse zahlt? Ein Blick ins Sozialgesetzbuch hätte Merkel diesen Sprengsatz erspart. Denn bereits nach geltendem Recht dürfen die Kassen nur medizinisch notwendige Leistungen zahlen.

Ulrike Fokken

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