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Kultur: Sozialversicherung: Die Kraft der Krise: Von Bismarck bis Müller

So unterschiedlich die Krisen sind, sie haben doch etwas gemein - sie ziehen Reformen nach sich. An der Schwelle zum 20.

So unterschiedlich die Krisen sind, sie haben doch etwas gemein - sie ziehen Reformen nach sich. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert war es das soziale Elend der Arbeiter, das Reichskanzler Otto von Bismarck antrieb, eine weltweit vorbildliche Sozialversicherung einzuführen. Der amtierende Wirtschaftsminister Werner Müller hat ganz andere Motive. Es hapert inzwischen im System selbst. Arbeitnehmer und -geber müssen immer tiefer in die Taschen greifen, um die Ausgaben der solidarisch finanzierten Sozialversicherung zu schultern. Steigende Beiträge, sinkende Leistungen und Reformversuche, die nach kürzester Zeit schon wieder Makulatur sind.

Mit der Einführung der Krankenversicherung im Jahr 1883 hatten Arbeiter in Notsituationen erstmals einen gesetzlichen Anspruch. Bei allen Unzulänglichkeiten des jungen Systems - es war eine Revolution. Ein Jahr später folgte der Schutz vor Arbeitsunfällen. Anders als die übrigen Versicherungen wird diese zu 100 Prozent von den Arbeitgebern getragen. Die Rentenversicherung (1889 für Arbeiter und 1911 für Angestellte) sowie die Arbeitslosenversicherung (1927) und die Pflegeversicherung (1995) folgten und stellen heute zusammen mit Kranken- und Unfallversicherung die fünf Säulen der sozialen Sicherung dar.

Jetzt kündigt sich die nächste Revolution an. Was in der Alterssicherung die Riester-Rente ist, könnte in der Krankenversicherung den Namen Müller tragen. Die Folge: Das über 100 Jahre alte Solidarprinzip zwischen Arbeitgebern und -nehmern steht zur Disposition, die Verantwortung - besonders die finanzielle - des Einzelnen steigt: Der Staat garantiert eine Grundversorgung, Leistungen, die darüber hinaus gehen, zahlt der Versicherte selbst - private Kapitalversicherungen, private Rentenversicherungen, private Krankenzusatzversicherungen.

lha

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