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Kultur: SPD-Parteitag: Schröders Gegendarstellung

Eigentlich denken die Genossen dieser Tage nur an das Eine. Reden aber müssen sie über das Andere.

Eigentlich denken die Genossen dieser Tage nur an das Eine. Reden aber müssen sie über das Andere. Das Eine ist Köln, der Spendenskandal, der Korruptionsverdacht, die Angst vor einer Affäre Kohlschen Ausmaßes. Das Andere ist der Aufbau Ost, für den es zwar schon etliche Richtfeste gefeiert hat, aber viel mehr auch nicht. Die Wahl werde im Osten gewonnen, heißt es dieser Tage erneut in der Sozialdemokratie - so wie damals, im Schröder-Wahlkampf 1998. Das könnte auch 2002 wieder stimmen, sofern die Wahl nicht ohnehin gerade in Köln verloren wird. Aber darüber will und darf man in Magdeburg nicht reden. Der Kanzler nicht, niemand. Wenn, dann nur im Flüsterton. Das Andere also.

Über Schröders Chefsache Ost hatte die Junge Union vor dem Magdeburger Maritim gehöhnt: "Cousinen-Tour statt Infrastruktur". Das ist zwar etwas holprig gereimt, trifft aber doch die Gefahr, die für den Kanzler im Osten lauert: dass Schröders neue Ostpolitik mehr als PR-Show denn als gewissenhafte Politik wahrgenommen wird. Da bietet der erste Ost-Parteitag der SPD eine feine Gelegenheit zur Gegendarstellung.

Hand in Hand

Seiner Cousinen-Tour lässt Schröder in Magdeburg tatsächlich ein paar kräftige Infrastruktur-Versprechen folgen. Selten hat man den Kanzler so begeistert über Verkehrspolitik sprechen hören. Über die A 72 von Leipzig nach Chemnitz etwa, die dank Kurt Bodewigs "Zukunftsprogramm Mobilität" gebaut werden soll. Oder die A 14, die endlich von Magdeburg Richtung Norden verlängert wird. "Die A 14 kommt", ruft Schröder und bekommt dafür Beifall, als hätte er gerade das Ende der Arbeitslosigkeit verkündet. Auch das Dauerstreitthema der Lohnschere zwischen Ost und West will Schröder für sich nutzen und stellt sich deshalb hinter Reinhard Höppners Vorschlag, die Tarife im öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2007 auf das Westniveau anzuheben.

Im Interesse des Ostens will Schröder sich auch mit der EU-Kommission anlegen. Was Stoiber einst in Bayern half, soll Schröder nun im Osten helfen: starkes Sticheln gegen die da in Brüssel, die gerne die Investitionsförderung für Ostdeutschland verringern würden - aus Wettbewerbsgründen. "Ich vermisse in der EU die Sensibilität für die Besonderheiten eines Landes", sagt Schröder. Wir Ostdeutsche Hand in Hand gegen Brüssel, so das gewünschte Signal.

Das Wort Stoiber nimmt der Kanzler nur ein einziges Mal in den Mund. Lieber spricht er von den anderen. Dass jener Stoiber schlecht für den Osten sei, will Schröder am Beispiel des Risikostrukturausgleiches nachweisen. Ein merkwürdiges Wort, das weiß auch der Kanzler. Etwas technokratisch klinge es ja, aber er will sich mal die Mühe machen, dieses Begriffsmonster zu erklären. Es gehe um die Solidarität zwischen den Krankenkassen in Ost und West. Die Union, an ihrer Spitze Stoiber, klage aber gegen jenen Risikostrukturausgleich. Das dürfe man gerade hier im Osten nicht vergessen, sagt Schröder. Also gehe es am 22. September um eine "Richtungsentscheidung für den Osten". Zur Wahl stünden dann: "Salto Rückwärts" (Stoiber) und "Solidarität zwischen Ost und West" (Schröder). Das ist vielleicht ein wenig vereinfacht und auch nicht ganz gerecht. Aber es kommt an.

Die sächsische Delegierte Margit Weihnert ist da eine gute Testperson. Zum allerersten Mal habe der Kanzler hier in Magdeburg ein "Stück ostdeutsche Mentalität" gezeigt, sie gar verinnerlicht. "Da war auch ein Stück ostdeutsches Herz mit dabei", findet Weihnert. Und, was sie fast noch mehr freut: Sie habe tatsächlich den Eindruck, der Kanzler kenne sich bei der Ostproblematik allmählich aus. Vielleicht ein bisschen spät, dreieinhalb Jahre nach der offiziellen Proklamation der Chefsache Ost. Wenigstens darf der Kanzler nach seiner Rede das Stehaufmännchen spielen. Gleich sieben Mal zwingen die Genossen ihn mit ihrem langen Applaus, sich wieder und wieder zu erheben. Jetzt darf er auch Zeige- und Mittelfinger wieder zum Victory-Zeichen spreizen. Das hält er auch deshalb für gerechtfertigt, weil "die Zeichen der Wirtschaft wieder nach oben zeigen", weil sich das Wachstum wieder ankündige, wie er den Delegierten zuvor eingeimpft hatte. In der Not klammert man sich an jeden Schimmer von Hoffnung.

Die Spenden-Not aber spielt bei dieser Optimismus-Inszenierung gerade mal in zwei Sätzen eine Rolle. So wird der mit einem Zeh im Kölner Sumpf stehende Generalsekretär Franz Müntefering vom Kanzler vor den 1000 Delegierten verbal gestreichelt. Eigentlich geht es um die Organisation des Ost-Parteitags, wenn Schröder sagt: "Das hast Du gut gemacht, Franz." Wenn er dann aber noch anfügt, dass der Franz für die Partei in den letzten Jahren "im wahrsten Sinne des Wortes richtig geackert" habe, soll dies ein deftiger Vertrauensbeweis sein. Der einstige NRW-Landeschef, der von den schmutzigen Geldern aus Köln nichts gewusst haben will, ist der Einzige, der später wenigstens einen direkten Satz zur alles überlagernden Frage sagt: "Ich stehe hier mit reinem Gewissen und sauberen Taschen." Das hört man gern, auch wenn es den Delegierten die Angst nicht nehmen mag. Die Angst, dass da im Rheinland etwas schlummert, das alle gut gemeinten Parteitagsbeschlüsse und Aufbruchsrhethorik kaputt machen könnte. "Maximale Schiete" sei das, sagt Weihnert, "um es mal vorsichtig auszudrücken. Hilflosigkeit. Gerade weil man die Union damals so angegriffen habe, sei das jetzt höchst unangenehm. "Aber wir haben doch wirklich geglaubt: Für uns sind solche Skandale kein Thema." Köln liegt an diesem Tag viel näher an Magdeburg als fünf Autostunden.

Markus Feldenkirchen

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