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Im Kompetenzteam von Peer Steinbrück. Der Kanzlerkandidat (v. l.) und seine Experten: Cornelia Füllkrug-Weitzel, Christiane Krajewski und Oliver Scheytt, der nun das kulturpolitische Programm der Sozialdemokraten präsentierte.

© dpa

SPD und Kultur: Mehr Staat, weniger Markt

Oliver Scheytt, neu im Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, stellt seine Pläne für eine künftige Kulturpolitik vor - klare Kante bei ordnungspolitischen Fragen

SPD und Kultur, das Thema mobilisiert nicht gerade die Massen. Nur ein halbes Dutzend Pressevertreter sind der Einladung ins Berliner Willy-Brandt-Haus gefolgt, wo Oliver Scheytt seine Agenda als Kulturmann in Peer Steinbrücks Kompetenzteam vorstellt. Eine Agenda mit vielen K’s. „Ich kann Kampagne, wir können Kulturpolitik, die SPD kann Kanzler“, so der 55-Jährige, der sich vor allem als Ruhr-2010-Chef und als seit 1997 amtierender Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft einen Namen gemacht hat.

SPD und Kultur, das ist immer noch Kultur von allen für alle, wie sich in Scheytts „Kulturstaat Deutschland“-Buch von 2008 nachlesen lässt. Eine Kultur der Vielfalt, die sich als Gesellschaftspolitik versteht, als friedensstiftende, das Zusammenleben fördernde Maßnahme. Die Indienstnahme der Kultur für soziale und politische Zwecke, diese alte sozialdemokratische Manier prägt Scheytts Ausführungen. SPD und Kultur, das ist aber auch die Erfindung des Kulturstaatsministers im Wahljahr ’98. Auf die SPD-Amtsträger Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss folgten acht Jahre Bernd Neumann für die CDU – und nun bald Oliver Scheytt? Unwahrscheinlich, denn für eine große Koalition empfiehlt sich Monika Grütters. Das scheint dem Kandidaten klar zu sein, jedenfalls betont Scheytt die Überparteilichkeit der Kulturpolitik, ist mit Neumann in Sachen kultureller Bildung d’accord (auch wenn er die Gelder besonnener verteilen würde), spricht eher allgemein von Dialog und Allianzen und bleibt auch bei Fragen zum Humboldt-Forum, zum Berliner Museumsstreit oder zur zersplitterten Filmförderlandschaft unverbindlich. Da muss er sich einarbeiten, er bittet um Verständnis.

Klare Kante zeigt Scheytt bei den ordnungspolitischen Fragen. Urheberrecht? Hat Schwarz-Gelb sträflich vernachlässigt, es muss schnell etwas geschehen, ruft der ausgebildete Musiker. Künstlersozialversicherung? So schlecht wie nie, weshalb – noch ein K – der SPD-Kreativpakt vonnöten sei. Immer mehr Künstler leben in prekären Verhältnissen, der Bund soll mit dafür sorgen, dass sie „von dem, was sie erfinden, auch leben können“. Freihandelsabkommen? Scheytt schimpft auf die Kanzlerin und den Wirtschaftsminister, plädiert für die exception culturelle, zumal in einer von der Digitalisierung heimgesuchten Risikogesellschaft. „Kultur darf nicht Handelsware sein.“ Mehr Staat, weniger Markt, noch eine klassisch sozialdemokratische Position.

Hollywood, Popcorn, Mainstream, das mag der SPD-Mann nicht. Der ehemalige Essener Kulturdezernent und jetzige Kulturhauptstädte-Berater verteidigt als passionierter Regionalpolitiker die Kultur in der Fläche, die sich in der Summe von 8,4 Milliarden Euro beziffern lässt. So viel investieren Bund, Länder und Kommunen in die Kultur. Scheytt seufzt: Wie schwach die föderalen Deutschen neben den zentralisierten Nachbarn oft dastehen, das hat er bei europäischen und transatlantischen Verhandlungen oft genug selbst erlebt.

Ganz schön knifflig: Der Mainstream ist nicht seins, aber dass neue Kunstmuseen gebaut werden, obwohl die Besucherzahlen (im Vergleich zu denen der historischen und technischen Museen) sinken, passt ihm auch wieder nicht. Also doch Kulturpolitik nach Mehrheitsgeschmack? Noch 100 Tage Wahlkampf: Zeit genug für Oliver Scheytt, das mit sich selbst auszudiskutieren. Christiane Peitz

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