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Kultur: Sphinx und Stele

Türkei: Erneut Streit um deutsche Grabungen.

Ein Höhenzug in Südostanatolien birgt eins der faszinierendsten Rätsel der Menschheit. Deutsche Forscher graben am Hügel Göbeklitepe nördlich der Stadt Sanliurfa die älteste bekannte Tempelanlage der Welt aus. Sie ist über 10 000 Jahre alt und wirft seit ihrer Entdeckung vor gut 15 Jahren eine entscheidende Frage auf: Wurden religiöse Bauten von sesshaften Bauern errichtet, wie bisher vermutet? Oder waren Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht vielmehr eine Folge der Zusammenarbeit von Jägern und Sammlern beim Tempelbau?

Seit 1995 arbeitet der Archäologe Klaus Schmidt in Göbeklitepe, seit 2001 im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI). Er ist hoch angesehen, denn er hat die Bedeutung des Tempels als erster erkannt, von dem bisher kaum zwei Prozent freigelegt wurden, vor allem Stelen und Mauern. Doch nun droht ihm und seinem Team Ärger von höchster Stelle. Er sei unzufrieden mit den Deutschen, sagte Kulturminister Ertugrul Günay dem Tagesspiegel und stellte die Verlängerung der Grabungslizenz in Frage.

Der Minister reagiert damit offenbar auf Beiträge in der türkischen Zeitung „Hürriyet“, in denen die Deutschen wegen des Diebstahl einer Stele vor eineinhalb Jahren wüst kritisiert wurden. Das Blatt unterstellte den Archäologen, sie hätten das 12 000 Jahre alte Stück außer Landes geschmuggelt und schrieb: „Wir lassen uns bestehlen, wir lassen uns ausplündern, und wir werden erst stutzig, wenn wir unsere Sachen in den Museen anderer Länder sehen.“ Dabei schien der Fall bereits erledigt: Das DAI hatte rund 70 000 Euro Entschädigung gezahlt, und das türkische Kulturministerium die Grabungslizenz erneuert.

Dass die Sache jetzt erneut hochkocht, dürfte kein Zufall sein. Denn in Kürze steht die Entscheidung über die nächste Lizenzverlängerung an. Schon 2011 hatte Kulturminister Günay damit gedroht, den Deutschen die Grabungslizenz für die Hethiter-Hauptstadt Hattuscha zu entziehen und so für die Rückgabe einer steinernen Sphinxfigur gesorgt, die vor 100 Jahren nach Berlin mitgenommen und nie zurückgegeben worden waren.

Im Fall Göbeklitepe ärgert sich Günay nun über Berichte, die den Türken einen schlampigen Umgang mit ihrem kulturellen Erbe vorwerfen. Er betont, dass nicht die Türkei für den Schutz vor Dieben verantwortlich sei, sondern die ausländischen Lizenznehmer. Ob er die deutschen Forscher aus Göbeklitepe verbannen wird? „Wir sehen uns an, was getan worden ist, was 2012 gemacht werden soll, welche Mittel bereitgestellt werden, auf dieser Grundlage entscheiden wir dann.“ Susanne Güsten

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