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Schlagabtausch. Heikko Deutschmann und Peter Kremer in „Betrogen“Foto: Drama

© Freese/drama-berlin.de

Kultur: Spiel der Lügen

Torsten Fischers Pinter-Inszenierung „Betrogen“ am Renaissance Theater

Zwei Männer beim Squash. Keine große Sache eigentlich, nur gemeinsames Schwitzen, Hechten, Fluchen. In diesem Fall allerdings ist es ein Spiel mit dem Unmöglichen. Denn in Harold Pinters Stück „Betrogen“ verabreden sich die beiden besten Freunde Jerry und Robert immer wieder zum Schlagabtausch, nur kommt es zu diesem nie. Statt sich als Sportskameraden auf dem Platz zu duellieren, bleiben beide hinterrücks Konkurrenten, Nebenbuhler, verstrickt in eine Dreiecksgeschichte aus Irreführung und Selbsttäuschung. Über lange Jahre hat Jerry eine Affäre mit Roberts Frau Emma, bloß bleibt das unter der Decke, selbst als es schon ans Licht gekommen ist. Unheimliche Lügen überall. Regisseur Torsten Fischer, der Harold Pinters Beziehungs-Bestiarium jetzt am Renaissance Theater auf die Bühne gebracht hat, lässt das Squashturnier aber doch noch stattfinden. Gleich zu Beginn, in unserer Gegenwart, wie die Datumsanzeige auf der Rückwand der Sportarena mit Glasfront signalisiert. Was das bedeutet, erschließt sich aber, wie so vieles in Pinters Stück, erst am Ende, in der Rückschau.

Fischer dreht die Uhr ins Jahr 1977, in dem die erste Szene des Stücks spielt. Jerry (Heikko Deutschmann) und Emma (Anika Mauer) begegnen sich in einer Bar, die Bühne von Vasilis Triantafillopoulos wandelt sich ohne viel Aufhebens vom offenen Sportgeviert zum Kampfplatz der subtilen Verletzungen. Ihre Affäre liegt schon zurück, und Emma trifft mittlerweile einen Erfolgsautor, den ihr Mann Robert (Peter Kremer) verlegt. Die Ehe steht vor dem Aus. Man plaudert im Tone vielsagender Oberflächlichkeit über alte Zeiten und schwelgt in Erinnerungen, die nicht ganz zusammenpassen. Dann enthüllt Emma, dass Robert Bescheid weiß über ihr Fremdgehen. Seit letzter Nacht, behauptet sie. Tatsächlich schon seit Jahren, wird Jerry erfahren.

Pinters Kunstgriff in diesem Drama aus den frühen siebziger Jahren besteht darin, von Szene zu Szene in der Zeit rückwärts zu springen. So liegt der Schatten der Erkenntnis auf jedem Zusammentreffen der Paare, tönt das Ungesagte zwischen den knappen Dialogzeilen, forciert der Wissensvorsprung des Zuschauers den Bosheitsgehalt des Betrugs. Bis am Ende der Anfang der Liebelei steht, unter Roberts Augen. Hier handeln alle mit Vorsatz. Es ist ein Erzählprinzip, dessen sich vor allem auch Filmemacher gern bedienen, wie der Franzose François Ozon in seinem Ehestück „5 x 2“. Es ist heute nicht mehr neu, aber immer noch wirkungsvoll. Regisseur Fischer inszeniert „Betrogen“ sehr geradlinig, mit ausgezeichneten Schauspielern: Anika Mauer als bedrängte Antreiberin Emma, die im Ungewissen lässt, wie viel Berechnung hinter ihren Seitensprüngen steckt. Heikko Deutschmann als naiver Stürmer Jerry, der sich alle Mühe gibt, blind für das Geschehen zu bleiben. Und Peter Kremer als gehörnter Betrüger Robert, der eine kalte Brutalität hinter seiner guten Miene zum bösen Spiel aufscheinen lässt.

Die Squashpartie der Zukunft ist keine Utopie. Vielmehr ein Bild der Verstörung. Die Liebesspieler machen weiter wie gehabt, vielleicht auch, als wäre nichts gewesen.

Wieder 20. u. 21. Mai, 20 Uhr, 22. Mai,

16 Uhr, 24. bis 27. Mai, 20 Uhr

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