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SPIEL Sachen: Aktive Sterbehilfe

Christine Wahl besteigt einen Bus nach Unbekannt

Vorbei ist’s, wie es scheint, zu Saisonschluss auch mit der schönen Zurücklehnerei im Zuschauersessel. Nicht etwa, weil es kein sommerliches Theaterprogramm gäbe, sondern weil – ganz im Gegenteil – das Theater vielmehr nach aktiven Publikumskräften verlangt: Der junge ungarische Regisseur Viktor Bodó beispielsweise hat im HAU 1 ein „Erlebnisministerium“ eingerichtet (heute 19 und 20.30 Uhr), in dem besonders unerschrockene Besucher Filmhauptrollen an sich reißen oder sich in Limousinen spazieren fahren lassen können. Zurückhaltenderen Naturen bleibt zwar in Bodós von jedem Zuschauer frei zusammenstellbaren Parcours immerhin noch die Möglichkeit, sich im „Labyrinth der Bürokratie“ über widerborstigen Fragebögen zu verausgaben oder auf dem „Flur der Banalitäten“ auszurutschen. Der Interaktionswillige hat gewiss mehr Spaß im „Erlebnisministerium“ als der passive Theatertraditionalist.

Da ist die junge niederländische Regisseurin Lotte van den Berg gnädiger, die mit ihrer auf internationalen Festivals gefeierten Arbeit „Braakland“ in den Sophiensälen gastiert (heute 20.30 Uhr, Sa/So 16 und 20.30 Uhr). „Braakland“, zu Deutsch Brachland oder Ödnis, zeigt – formstark sowohl ohne Worte als auch fernab psychologischer Erklärungen – eine Ansammlung einsamer Menschen, die sich nach geraumer Zeit gegenseitig beklauen und töten. Doch auch hier müssen die Zuschauer mindestens über genug Neugier und Kunstwillen verfügen, um vor den Sophiensälen zusammen mit den anderen Ticket-Inhabern in einen Bus gen Unbekannt zu steigen – Rückfahrkarte selbstverständlich inklusive.

Selbst im Falle der „Merkwürdigen Abenteuer der Knaben Edudant und Franzimor“ – einer Produktion von Sebastian Mauksch und der Volksbühnen-Jugendtheatergruppe P 14 im Ballhaus Ost (30.6., 19 Uhr) – handelt es sich um ein „Mitmachmusical“. Im Kern geht es um die „staatlich konzessionierte Zauberin und allein erziehende Mutter“ Sibylle Olleholle, die Stress mit der Schulbehörde bekommt, weil sie es bis dato für überflüssig hielt, ihre beiden siebzigjährigen Söhne einzuschulen. „Mitmachmusical“ heißt hier allerdings auch, dass großzügig Backwerk und Getränke unters Zuschauervolk gebracht werden. Dafür wird man unter Umständen schon auch mal zum Aktivisten.

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