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SPIEL Sachen: Alles Shakespeare oder was?

Christine Wahl freut sich auf einen elisabethanischen Theatersommer

Vergangene Woche war an dieser Stelle ja bereits vom Trashfaktor William Shakespeares die Rede. Sollte dabei der Eindruck entstanden sein, nur das Prime Time Theater im Berliner Wedding kitzele – unter dem bezirksaffinen Motto Eine Sommanachtstaraum – aus dem alten Elisabethaner tagesaktuelle EntertainmentQualitäten heraus, sei dies hiermit korrigiert.

Ein Blick aufs hauptstädtische Sommertheater – abseits der gastierenden Bremer Shakespeare Company, die bis zum 24. August im Renaissance-Theater ihre Komödie Shakespeare in Trouble zeigt – vermittelt das Gefühl, dass Liebhaber trashiger Parodien in Shakespeare ihr Lieblingsobjekt gefunden haben. Besonders treue Fans wie die Comedy-Zwillinge Ralph und Ingo Woesner gehen sogar so weit, den Dramatiker zur Basis eines ganzen Prenzlauer-Berg-Theatersommers im Kolle37 (Kollwitzstraße 35-37) zu machen. So gerät heute Abend (und am Mittwoch, 13.8., jeweils 20 Uhr) an besagter Stelle zunächst Hamlet außer Kontrolle: Übermäßig „von des Gedankens Blässe angekränkelte“ Zauderer sind auf der lauschigen Open-Air-Bühne nicht zu befürchten, wenn der Hollywoodregisseur Mr. Spülberg infolge schlampiger Terminplanung seine Technik-Crew zur Verfilmung des Klassikers vor die Kamera zerren muss, weil die Stars zur falschen Zeit einfliegen. Als beiläufigen Lerneffekt nimmt der Zuschauer die Erkenntnis mit nach Hause, dass die alteingesessenen Diven bisweilen regelrechte Charmeure sind im Vergleich zu den nervigen Zufallsnewcomern.

Ein paar Tage nach dem im Schloss zu Helsingör entgleisten Dänenprinzen ist dann gleich ein veritables Chaos in Verona (12.8., 20 Uhr) zu begutachten. Dank eingehender literarhistoriosoziologischer Recherchen haben die Gebrüder Woesner scharfsichtig herausarbeiten können, dass Shakespeares Liebestragödie „Romeo und Julia“ auf falschen Voraussetzungen beruht: Zwar gab es seinerzeit durchaus einen Romeo, niemals aber eine Julia in Verona. De facto verbarg sich hinter Letzterer ein ansehnlicher junger Mann mit dem geschmäcklerischen Namen Julius, der – aus Furcht vor einer Zwangsverheiratung mit einer alten, hässlichen, aber sehr reichen Gräfin – kurzerhand in Frauenkleider schlüpfte und fortan noch ein paar andere Probleme als eine unattraktive Gattin in spe am Hals hatte.

Zwischendurch weisen die Woesner-Brothers immer mal wieder lässig darauf hin, dass sich nicht nur Shakespeare, sondern auch der deutsche Literaturheilige Johann Wolfgang von Goethe zur parodistischen Ausschlachtung eignet. In einem gewagt interdisziplinären Forschungsansatz verknüpfen sie unter dem Motto Faust – Die Komödie (9./14.8., 20 Uhr) das alte Gelehrtendrama mit der hohen Kunst der Plastination à la Gunther von Hagens. Eine Parallele, die sicher für Furore und neue Erkenntnisse sorgt!

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