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SPIEL Sachen: Die besten Griechen kommen aus China

Christine Wahl über einen großen Umweg

Wer schon immer mal wissen wollte, wie „Yellow Submarine“ auf Chinesisch klingt: Der „Alptraum der Roten Kammer“, der morgen im WAU – der hauseigenen Kneipe des HAU 2 – wahr wird (ab 22.30 Uhr), hat jede Menge übersetzte Beatles- Songs im Repertoire. Natürlich liefern die vier Sinologen, die sich unter dem programmatischen Label zusammengeschlossen haben, auch echten China- Rock – und zwar in seiner gesamten Bandbreite und bei kostenlosem Eintritt! Das Konzert ist Teil des viel versprechenden Festivals „Umweg über China“ im Hebbel am Ufer, das heute Abend (19.30 Uhr) im HAU 1 mit einem richtungsweisenden Vortrag des französischen Philosophen Francois Jullien eingeläutet wird: „Das chinesische Denken als Bewährungsprobe oder: Wie ist ein Dialog zwischen China und Europa möglich?“

Er sei Anfang der siebziger Jahre nach China gegangen, sagte Jullien in einem Interview, um die griechischen Texte besser lesen, durch die Außenperspektive allzu Vertrautes in ein neues, distanzierteres Licht rücken zu können. Diesem Ansatz folgt auch der von Carena Schlewitt, Anselm Franke und Anja Goette kuratierte, zehntägige Chinamarathon auf allen drei HAU-Bühnen: Der „Umweg“ will erlauben, den Westen gleichsam von außen zu betrachten – und von dort aus eher Fragen zu stellen, als mit Erklärungsschnellschüssen aufzuwarten. Die Denkanstöße kommen neben der Philosophie aus zwei weiteren thematischen Richtungen: Zum einen setzen sich die Performances, Lectures, (Video-)Installationen und (Dokumentar-)Filme mit der in Europa anhaltend negativ besetzten „Kulturindustrie“ auseinander, die in China seit kurzem zu den offiziell geförderten Wachstumsbranchen gehört. Und zum Zweiten rücken die chinesischen „Parallelwelten“ in den Fokus: die Gleichzeitigkeit von Staatssozialismus und kapitalistischen Wirtschaftsformen und einer Landbevölkerung, die 70 Prozent der chinesischen Population ausmacht und in den Städten billig ihre Arbeitskraft verkauft.

Im Bereich der Bühnenkunst sind die Pioniere der unabhängigen chinesischen Tanzszene – das Living Dance Studio aus Peking – mit zwei Produktionen vertreten: „Report on 37,8°“ (2.6, 21 Uhr und 3.6., 20 Uhr im HAU 2) bespiegelt mit hohem Symbolgehalt die Auswirkungen der Infektionskrankheit Sars, die 2003 schlagartig die Atmosphäre im Land veränderte. Und in „Report on Giving Birth“ (5./6.6., 21 Uhr im HAU 2) werden reale Mutterschaftserfahrungen vertanzt, die die Performer aus Interviews mit Frauen zwischen 25 und 90 Jahren entnahmen. Auf dokumentarischen Berichten basiert auch Cao Kefeis Theaterstück „Together“ (5./6.6., 19.30 Uhr im HAU 3): Sechs Darstellerinnen ihrer selbst – unter anderem eine 30-jährige Designerin, eine Arbeitsuchende (49) und eine hauptberufliche Mutter (32) – reflektieren das Arbeits- und Privatleben in der chinesischen Gesellschaft aus weiblicher Sicht.

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