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SPIEL Sachen: Durch Raum und Text

Christine Wahl über zwei Berliner Gesamtkunstwerkerinnen

Dass die nachrückenden Generationen wenig mit Philosophie am Hut haben, scheint eine Ente zu sein: Ada und Alev wenigstens definieren sich vollmundig als „Urenkel der Nihilisten“. Allerdings führt die überdurchschnittliche Intelligenz dieser beiden theoriebegabten Jugendlichen aus Juli Zehs Roman Spieltrieb denn auch in der Lebenspraxis zu höchst perfiden Spielchen, die sich keine Sekunde lang um moralische Codices scheren. Ada und Alev verführen ihren Lehrer Smutek, um ihn anschließend zu erpressen und zu demütigen.

Im Theater unterm Dach (2.-4.5. und 8./9.5., 20 Uhr) haben die Regisseurin Tina Küster und die Ausstatterin Claudia Philipp Zehs Roman nun in einer eigenen Fassung für vier Spieler auf die Bühne gebracht. Seit geraumer Zeit bestechen die beiden jungen Künstlerinnen, die die freie Berliner Theaterszene unter dem Label „textmarker“ bereichern, durch klug-originelle Gesamtkunstwerke aus Raum und Text: Bei ihrer Vergegenwärtigung von Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ vor vier Jahren beispielsweise – und also zu einer Zeit, als das noch nicht gang und gäbe war – setzten sie das Publikum in einem Ladenlokal in Prenzlauer Berg mitten ins Bühnenbild, quasi an Tisch und Bett des handlungstragenden Meisters Anton und Co., ohne sich dabei in die Untiefen von Kindergeburtstagstheater zu verirren. Und als im Jahr darauf am gleichen Ort Ödön von Horváths Alpen-Hotel „Zur schönen Aussicht“ Station machte, hockten die Zuschauer ebenfalls sehr körpernah zum Hotelier Max Strasser in der Tourismusbranche, die bei Küster und Philipp längst mühelos in der Hartz-IV-Gegenwart angekommen war.

Ganz nebenbei betreiben die beiden nun im Falle von „Spieltrieb“ auch noch selbst vorbildliche Nachwuchsförderung: Die Hauptdarstellerin Anne Abendroth studiert noch Schauspiel an der UdK und spielt hier ihre erste große Rolle.

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