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SPIEL Sachen: Freiheit für die Weihnachtsgans

Zum vierten Advent, wenn langsam die Weihnachtsganskäufe beginnen, schlägt in der Kulturbranche die Stunde der Tierschützer.

Zum vierten Advent, wenn langsam die Weihnachtsganskäufe beginnen, schlägt in der Kulturbranche die Stunde der Tierschützer. Die Weihnachtsgans Auguste zum Beispiel, die das Theater o. N. in einem „bunten Schattenspiel“ für Zuschauer ab vier Jahren auf die Bühne bringt (heute 10 & 11.30 Uhr, Sa/So 16 Uhr, Mo–Mi 10 Uhr), wird dank couragierter Kinder nicht nur vor dem Backofen bewahrt, sondern sogar als vollwertiges Mitglied in eine Bildungsbürgerfamilie integriert.

Dabei stellt das „Familienoberhaupt“, der weihnachtsgansliebhabende Kammersänger Luitpold Löwenhaupt, seine Liebsten in Friedrich Wolfs Geschichte zunächst vor gewaltige Herausforderungen. Um an seinen Weihnachtsbraten zu kommen, schreckt er nämlich nicht vor unlauteren Mitteln wie Schlaftabletten für die Gans zurück.

Das alles hätte sich Herr Löwenhaupt übrigens sparen können, wenn ihm nicht im Vorfeld ein einziger, folgenschwerer Fehler unterlaufen wäre: Er hatte das Tier bereits im November erworben, und zwar lebendig. In der Folgezeit muss er erfahren, wie es sich bitter rächt, Gänse zu unterschätzen und auf ihre vermeintliche Funktion als Weihnachtsbraten zu reduzieren: Des Kammersängers Einkauf wird von der restlichen Familie mit Wollpullovern bestrickt, in warme Daunenbetten eingeladen und kann sich sogar verbal artikulieren.

In diesem Punkt dürfte die Prinzessin auf der Erbse, die das Puppen- und Figurentheater Schaubude gleichzeitig auf die vorweihnachtliche Märchenbühne holt (Sa/So, 15 Uhr), noch nie Probleme gehabt haben. Wahrscheinlich ist sie auch Vegetarierin. Allerdings geht es auch in ihrem Fall darum, in eine angesehene Familie integriert zu werden – wenn auch aus völlig anderen Erwägungen heraus. Die „Prinzessin auf der Erbse“ soll nachweisen, dass echtes Monarchinnenblut in ihr fließt, und dafür eine heimlich versteckte Mini-Erbse durch zig handelsübliche Matratzen hindurch spüren. Denn für den standesgemäßen jungen Mann, der sie heiraten will, kommt nur eine ausgewiesene Blaublütlerin infrage, obwohl er mit dieser Spezies bereits Mangelerfahrungen en masse hinter sich hat.

Insofern darf man gespannt sein, ob die Spieler Veronika Thieme und Pierre Schäfer in ihrer Hans-Christian-Andersen-Version für Kinder ab fünf auch mal die zeitgemäße Frage stellen, warum der Prinz eigentlich nicht auf die Idee kommt, endlich mal sein eigenes Beuteschema zu hinterfragen.

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