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SPIEL Sachen: Kummer mit Hummer

Die Gegenwartsdramatik ist immer wieder für eine Debatte gut. „Qualitätsgeilheit statt Frischfleischwahn!

Die Gegenwartsdramatik ist immer wieder für eine Debatte gut. „Qualitätsgeilheit statt Frischfleischwahn! Keine OneNight-Stands mit Schreibern, sondern Beziehungspflege!“ Das wünschen sich zum Beispiel die „Battle-Autoren“, eine 2007 gegründete Initiative junger Dramatiker. Stellvertretend für viele Kollegen klagen sie Eheverträge ein und werfen den Theatern vor, stattdessen lieber mit immer neuen 24-Stunden-Partnern zu flirten. Und dann gibt es da noch externe Kritiker, die sich weniger mit dem Beziehungsstatus beschäftigen als vielmehr mit dem, was am Ende herauskommt. Die fragen sich mit jedem frisch auf den Markt geworfenen Uraufführungsfestival erneut, ob da nicht viel Unfertiges und Mittelmäßiges das Licht der Theaterwelt erblickt, das lieber noch ein wenig hätte hin- und her gedacht werden sollen.

Diese Debatte, die seit Jahren konstant vor sich hin köchelt, hat gerade mal wieder ordentlich Zunder erhalten; zeitlich passend zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens im Haus der Berliner Festspiele (Mo, 18.30 und 20 Uhr). Nachdem letztes Jahr bereits die Wiener Werkstatttage für junge Dramatiker wegen Mangels an qualifizierten Bewerbungen ausgesetzt worden waren, konnte sich dieser Tage auch die Jury des Heidelberger Stückemarktes nicht auf einen Preisträger einigen und verteilte Geld und Ruhm wegen fehlender Leuchttürme fair unter allen Teilnehmern. Die Autorin Marlene Streeruwitz – Jurymitglied des diesjährigen Theatertreffen-Stückemarktes – hat daraufhin in der „taz“ darüber nachgedacht, inwiefern die von Verlagen eingereichten Stücke bereits vorauseilend auf eine theaterinterne Betriebslogik abgestimmt sind.

Tatsächlich hat man zurzeit oft den Eindruck, in der Jungdramatik werde mit unbegründet kleiner Münze operiert; und Regisseure wichen entsprechend obsessiv auf komplexere Vorlagen wie Romane oder gänzlich theaterferne Stoffe aus. So basiert Ivan Panteleevs Volksbühnen-Inszenierung Am Beispiel des Hummers auf einer Reportage, die der amerikanische Autor David Foster Wallace im Auftrag eines Gourmet-Magazins schrieb. Und sie läuft so gut, dass sie jetzt vom Prater ins Große Haus umzieht (18.5., 20 Uhr). Wenn der Ausnahme-Schauspieler Samuel Finzi zielgenau vom Feinkost-Reporter zum Entertainer und vom Entertainer zum Nachdenkenden über die gleichsam letzten existenziellen Dinge wird, ist dem Publikum die Textsorte zu Recht ziemlich egal. Ein anderes Beispiel: Die Performancegruppe She She Pop schuf mit Testament im HAU 2 (heute und morgen, 20 Uhr) vor allem mit ihren eigenen Biografien – und denen ihrer Väter – ein tolles, ebenso intelligentes wie berührendes Stück Gegenwartstheater.

Andererseits hat vor wenigen Tagen Fritz Kater mit seiner jüngsten Arbeit We are blood (26.5., 19.30 Uhr) im Maxim Gorki Theater jeden Zweifel daran ausgeräumt, dass es dramatischen Texten per se an „Welt“- und „Nachhaltigkeit“ fehlen könnte. Was – von tollen Ausnahmen abgesehen – in der Breite fehlt, ist wahrscheinlich eher der Wille, die Fähigkeit und/oder der Mut zur Größe.

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