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SPIEL Sachen: Raus von zu Haus

Nichts gegen das Bildungswesen. Zumindest nicht hier und jetzt!

Nichts gegen das Bildungswesen. Zumindest nicht hier und jetzt! Aber wirft man einen Blick auf die Kindertheaterspielpläne, wird man dennoch den Eindruck nicht los, in den wirklich entscheidenden Dingen des Lebens sei das Drama einfach der mutigere Coach als der Kindergarten oder die Schule. So wagt im Spandauer Theater auf der Zitadelle ein Mädchen bereits im zarten Alter von fünf Jahren – also noch vor der Einschulung – den Sprung in die Selbstständigkeit: Lotta zieht um (am 21. 7. 15 Uhr sowie am 22. 7. 10 Uhr). Welche pädagogische Institution schließlich – außer Astrid Lindgren natürlich – hätte einen derart frühen Emanzipationsprozess überhaupt nur ins Kalkül gezogen? Gut, der Auslöser war kein freiwilliger: Aus einem leidenschaftlichen Abwehrimpuls gegen einen kratzenden Pullover heraus hatte Lotta beherzt ein Loch in denselben geschnitten – was bekanntlich nicht die beste Methode ist, um seinen Eltern eine Freude zu machen. Und die Reise weg von den Erziehungsberechtigten endet auch gleich ein Haus weiter, in der Rumpelkammer der Nachbarin. Zudem dauert sie noch nicht einmal besonders lang. Aber immerhin, man muss ja nicht immer gleich wahnsinnig global einsteigen.

Hans Christian Andersens berühmte Märchenfigur Die Kleine Seejungfrau geht da einen folgenschweren Schritt weiter als Lindgrens Lotta aus der Krachmacherstraße. Allerdings ist sie auch zehn Jahre älter. Sie opfert ihre Stimme und lässt sich in einen Menschen verwandeln – was ihr den Rückweg zu ihrer Unterwasserfamilie und damit zu ihrer früheren Existenz für immer versperrt. All das nimmt die kleine Seejungfrau aus Liebe zu einem dunkeläugigen Prinzen auf sich, dem sie das Leben gerettet hat – was der allerdings nicht weiß. Johannes Galli inszeniert das denkwürdige Märchen, das nur aus der Sicht absolut selbstloser Hypermoralisten in ein Happy End mündet, als Open-Air-Musiktheater in den Heckmannhöfen (Oranienburger Straße 32; 17., 18. sowie 21. – 25. 7., jeweils 17 Uhr). Der Prinz heiratet nämlich eine andere, während sich die Seejungfrau in einen Luftgeist verwandelt und die Chance bekommt, durch edle Taten eine unsterbliche Seele zu erlangen und so an dem „ewigen Glück der Menschen“ teilzuhaben. Toller Trost! Dieser Weg in die Selbstständigkeit ist tatsächlich nur etwas für absolut überzeugte Karitativ-Karrieristinnen!

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