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SPIEL Sachen: Verräter oder Vorreiter

Christine Wahl über scheiternde Chefs

Außenpolitisch erfolgreich, aber beim Souverän verhasst: Ist William Shakespeares „Coriolanus“, der nach innenpolitischen Anfeindungen zum Gegner überläuft und den eigenen Staat bekämpft, der große Volksverräter oder eher das tragische Opfer einer politisch unreifen Masse? Die Frage hat zwar Interpreten von Giorgio Strehler bis Bertolt Brecht auf den Plan gerufen, vor allem aber ziemlich lange geruht auf hiesigen Bühnen. Nun springt der Theaterdiscounter in die politdramatische Bresche: Oliver Schmaering, der 2005 für sein „Seefahrerstück“ mit dem Förderpreis des Stückemarktes beim Berliner Theatertreffen ausgezeichnet wurde, lässt den aristokratischen Feldherrn unter dem epischen Motto „Coriolanus! Ist Panzer des Jahres! Ist Opfer der Woche“ (ab 5.10., 20 Uhr) wiederauferstehen. Und zwar – wie sollte es anders sein – im Kontext heutiger Führungseliten. Schmaerings Szenario ist eine Werbeagentur oder vergleichbare Semikreativstube, in der fünf Marketingexperten quasi am Reißbrett der Medienwirksamkeit den ultimativen Coriolan entwerfen. Und wie das halt so ist mit dem selbst verursachten Hype und der fremd verschuldeten Wirklichkeit: Beides gerät den Kreativköpfen zusehends durcheinander; die Kampagne verselbständigt sich. Schon aus Existenzsicherungsgründen ist es schließlich ratsam, mehr an die eigene Schöpfungskraft zu glauben als an hinderliche Tatsachen. So bleibt dieser Coriolan die physische Leerstelle, um die herum sich Feinde und Verbündete in selbst gespannten Fallstricken verheddern. Bleibt zu hoffen, dass sie dabei ein paar gute Image-Ideen haben.

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