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Kultur: Spielplatz Demokratie

Das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal gibt sich interaktiv wie die Berliner Wippe.

Nachdem im vergangenen Jahr in Berlin die Entscheidung für das Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Schlossplatz gefallen ist, rückt nun auch für die Leipziger das entsprechende Pendant in greifbare Nähe. Dort hat die Jury unter 39 Entwürfen für den Wilhelm-Leuschner- Platz, wo sich die Demonstranten zur friedlichen Revolution trafen und am 9. Oktober 1989 über 70 000 Menschen zusammenkamen, drei Sieger gekürt. Die endgültige Entscheidung über das Denkmal, das 2014 zum 25. Jahrestag des historischen Termins eingeweiht werden soll, wird allerdings voraussichtlich erst im kommenden Jahr getroffen. Insgesamt stehen 6,5 Millionen Euro zur Verfügung: fünf Millionen Euro vom Bund, 1,5 Millionen Euro vom Freistaat Sachsen. Bis Anfang August haben nun erst einmal die Bewohner der „Heldenstadt“ Gelegenheit, die eingereichten Entwürfe im Neuen Rathaus zu studieren und ihre Meinung in einem eigens eingerichteten Internetforum (www.denkmaldialog-leipzig.de) kundzutun.

Den vordersten Platz belegten das Münchner Künstlerduo M + M (Marc Weis und Martin de Mattia) und die Berliner Landschaftsarchitekten Sofia Petersson und Moritz Schloten mit einem gigantischen Farbfeld aus bunten Quadraten, das den „geordneten“ Charakter der Montagsdemonstrationen symbolisieren soll. Zum interaktiven Denkmal mit dem Titel „70 000“ gehören jeweils gleichfarbige mobile Hocker, die für das eingeforderte Mitspracherecht der damaligen Demokratiebewegung stehen. Schon jetzt argwöhnen allerdings erste Kritiker, dass die bunten Sitzobjekte sich allzu schnell in alle Welt verteilen und von Leipzigs „Speaker’s Corner“ nur noch die leere Ecke bleibt. Auf Platz zwei kam das Berliner Studio for art and architecture von Jan und Tim Edler, das einen „Platz der Meinungsfreiheit“ vorschlägt, auf dem die Bevölkerung immer wieder neue Losungen manifestieren kann. Die Leipziger Anna Dilengite, Tina Bara und Alba D’Urbano kamen mit ihrem „Herbstgarten“ auf Platz drei, den der Schriftzug „keine Gewalt“ als Rauminstallation durchzieht.

Insbesondere der erstprämierte spielerische Entwurf von M + M erinnert an die Idee des ebenfalls interaktiven Berliner Einheitsdenkmals von Johannes Milla und Sasha Waltz in Gestalt einer gigantischen Wippe, in der sich der mal zur einen, mal zur anderen Seite neigende Wille der Mehrheit niederschlägt. In Berlin gibt es allerdings noch keinen konkreten Termin und keinen so zügigen Realisierungsplan wie in Leipzig. Bislang ist nicht einmal der historische Sockel zur Aufstellung des tonnenschweren Denkmals saniert, ganz zu schweigen von noch abzustimmenden weiteren Planungen für das Humboldt-Forum, das vis-à-vis entstehen soll. Nicola Kuhn

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