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SPIEL Sachen: Mach es nicht selbst

Christine Wahl freut sich über den Trend zum interpassiven Theater.

In René Polleschs Inszenierung „Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang!“ demaskiert der Solo-Akteur Fabian Hinrichs mit höchst intelligentem Unterhaltungswert unschöne Bühnenmoden. Als eine der einschneidendsten darf zweifelsohne das „interaktive Theater“ gelten: Was haben wir nicht in den letzten Jahren, vor allem in der freien Szene, Faltmäuse gebastelt, auf simulierten Arbeitsämtern herumgestanden, Spitzeljobs verweigert oder an Familienfeiern teilgenommen, denen wir uns im wahren Leben bis aufs Blut verweigert hätten.

Pollesch und Hinrichs setzen diesem klebrigen Mitmach- und Mitfühlzwang in Anlehnung an den Kulturphilosophen Robert Pfaller die entlastende Verheißung der „Interpassivität“ entgegen. Man müsse sich das, erklären sie, in etwa so vorstellen: „Der Schauspieler geht nach der Vorstellung mit Ihrer Partnerin nach Hause, dann müssen Sie das nicht tun.“

Trotzdem scheinen sich die Vorteile des interpassiven Theatergenusses noch nicht so recht herumgesprochen zu haben. In der Brotfabrik in Weißensee (Caligariplatz 1) jedenfalls hält die Truppe „theatrale subversion“ eisern am Interaktivitätskonzept fest. Unter dem Motto „alles ich – theatrale dialektik 1“ (bis So tgl. 20 Uhr) wird dort unter ausdrücklich erwünschter Publikumsbeteiligung über Identität nachgedacht, wobei sich diese Ego-Reflexionen besonders an Jugendliche richten: „Stell dir vor, du könntest wählen, wer du bist: Deine Heimat, deine Eltern, deine Hautfarbe, deine Eigenschaften, deine Gedanken.“ Unter theatraledialektik@googlemail.com kann man sich sogar zu begleitenden Workshops anmelden. Hinterher ist dann nur noch die nächste Pollesch-Vorstellung in der Volksbühne zu besuchen (7.2., 18 Uhr) – und schon weiß man, ob man sich künftig lieber auf die interaktive oder auf die interpassive Theaterseite schlägt.

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