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SPIEL Sachen: Mittel und Maß

Madame Bovaryist eine von uns! Diese These vertreten die Berliner Bühnen zurzeit hartnäckig.

Madame Bovary

ist eine von uns! Diese These vertreten die Berliner Bühnen zurzeit hartnäckig. Im Maxim-Gorki-Theater läuft der berühmte Flaubert-Stoff bereits seit Anfang des Jahres in einer Fassung von Tine Rahel Völcker (wieder am 2.10. und 23.10., 19.30 Uhr). Die junge Dramatikerin beschränkt sich auf eine Art Minimalaktualisierung mit feministischem Impetus, die den Anschluss an die Feuilleton-Debatte sucht und in den Weiblichkeitsvorstellungen der CDU/CSU ihr Feindbild findet. Emma-Darstellerin Julischka Eichel spielt sich in kritischer Absicht durch allerlei zeitlose Weiblichkeits-Stereotype von der braven Hausfrau bis zur Verführerin mit Borderline-Symptomatik.

Im Ballhaus Ost haben jetzt die Autorin Daniela Dröscher und der Regisseur Christian Weise mit einer Flaubert-Dramatisierung nachgelegt. Sie sind sich sicher, dass „das sogenannte Phänomen des Bovarismus keinesfalls nur schwindsüchtigen Damen des 19. Jahrhunderts vorbehalten“ ist, sondern Emma heute „in Detmold, Stuttgart Sindelfingen oder mitten in Berlin“ an der wahnsinnigen Mittelmäßigkeit ihres Gatten sowie des eigenen Lebens verzweifelt.

Aber Dröscher und Weise geben Madame Bovary (am heutigen Freitag und morgen, 20 Uhr) eine andere Stoßrichtung als Tine Rahel Völcker im Gorki: Sie reduzieren den Stoff auf eine knapp zweistündige Prenzlauer-Berg-Sitcom, in der alternative Spießer mit Geburtshaus-Spleen und tablettenabhängige Popstars einander die Klinke in die Hand geben. „Madame Bovary“ will hier nicht mehr sein als eine lustige Vorführung der neuen Bürgerlichkeitsklischees am adäquaten Ort – allerdings mit einer sensationell ambivalenten Inga Busch in der Titelrolle. Die maßlose Enttäuschung und die absolute Unverschämtheit, mit der diese Frau, die selbst nichts auf die Reihe kriegt, ihren Gatten niederschreit und im Kaufrausch versinkt, öffnet eine völlig neue Perspektive auf die über 150 Jahre alte Romanfigur.

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