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SPIEL Sachen: Nur ein winziger Fingerzeig

Beim Theatertreffen laufen derzeit die dramatischen Schwergewichte „Der Kirschgarten“ und „Tod eines Handlungsreisenden“ als satte Zwei- bzw. Dreieinhalbstünder.

Beim Theatertreffen laufen derzeit die dramatischen Schwergewichte „Der Kirschgarten“ und „Tod eines Handlungsreisenden“ als satte Zwei- bzw. Dreieinhalbstünder. Die amerikanische Performancekünstlerin Lindy Annis schafft beides zusammen in zehn Minuten: In ihrem tollen Abend „Shorts: An Encyclopedia of Tragic Attitudes“ ließ sie 2002 sowohl Tschechow als auch Arthur Miller in wenigen ikonografischen Gesten und Körperhaltungen zusammenschnurren. Was zunächst nach lustigem Trash klingt, ist de facto minuziös recherchiert: Annis’ Gestaltungsmittel leiten sich wasserdicht aus der griechischen Tragödie ab.

Auch mit Lady Hamilton, der Erfinderin der „Attitüde“, hat sich die seit 1985 in Berlin lebende Künstlerin intensiv beschäftigt. Wenn jene um 1765 geborene zweite Ehefrau des britischen Gesandten in Neapel, Lord William Hamilton, eine ihrer minimalistischen Crossover-Performances zwischen bildender und darstellender Kunst sowie Literatur und Musik aufführte, war die Crème de la Crème von Goethe bis Tischbein hingerissen. Im schnellen Wechsel switchte Lady Hamilton von einem antiken Motiv oder barocken Gemälde zum nächsten, ließ sich aber auch von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ inspirieren.

Neun Jahre nach Part eins der tragischen Attitüden legt Lindy Annis nun in den Sophiensälen nach. The Body Archive: The Encyclopedia of Tragic Attitudes, part II (heute sowie 16.–18.5., 20 Uhr) beschäftigt sich allerdings ausschließlich mit weiblichen Figuren. Die Lektion, wie „ikonografische Körpergesten aus der Antike mitsamt ihrem existenziellen Pathos bis heute nachleben“ und die „Verbildlichung und Rezeption von Frauenfiguren“ geprägt haben, ist ein hochinteressantes Ergänzungsprogramm zu Herbert Fritschs Ibsen-Inszenierung „Nora“ beim Theatertreffen, die so gar nicht im klassischen Emanzipationsgestus aufgeht.

Nicht minder lohnend dürfte übrigens die Erkundung des Innenlebens der geschichtsträchtigen Sophiensäle ausfallen, die Annis zusätzlich zu den femininen Attitüden unter dem Motto House of Memories (Sa/So 18/19:30/21 Uhr) unternimmt.

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