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SPIEL Sachen: Theater an der Grenze

Dass Regisseure und Performer den Theatersaal verlassen, ist längst en vogue. Nicht nur Avantgardisten der freien Szene à la HAU bespielen seit Jahren Wohnungen oder historienträchtige Orte wie den Berliner Spreepark, auch das Deutsche Theater realisierte jüngst ein Projekt über die Zusammenhänge zwischen Raum, Dramatik und Erinnerung in seinen ehemaligen Werkstätten an der Chausseestraße.

Dass Regisseure und Performer den Theatersaal verlassen, ist längst en vogue. Nicht nur Avantgardisten der freien Szene à la HAU bespielen seit Jahren Wohnungen oder historienträchtige Orte wie den Berliner Spreepark, auch das Deutsche Theater realisierte jüngst ein Projekt über die Zusammenhänge zwischen Raum, Dramatik und Erinnerung in seinen ehemaligen Werkstätten an der Chausseestraße. Interessant sind diese lokalen Fremdgänge eigentlich immer: Falls der künstlerische Part – was ja ab und zu vorkommen soll – zu wünschen übrig lässt, entschädigt der aufregende, oft öffentlich nicht zugängliche Schauplatz.

Besonders plausibel ist dieses Verfahren bei dokumentarischen Projekten, die direkt am Ort des Geschehens historische Prozesse aufarbeiten. Bereits im Mai konnte man sich in einem „begehbaren Stasihörspiel“ des Regiekollektivs Rimini Protokoll mit Stadtplan und GPS-Telefon durch Berlin-Mitte bewegen und unter dem Motto „50 Aktenkilometer“ Observationsgespräche ostdeutscher Behörden am ehemaligen Palast der Republik, Erinnerungen einer ausreisewilligen jungen Frau in einem Café am Alexanderplatz oder Treffen west-östlicher Paare in Hotel-Restaurants belauschen: Rimini Protokoll hatte sowohl Originaldokumente als auch Erinnerungen von Zeitzeugen in ein umfängliches begehbares Archiv eingespeist, das sich gleichsam als historische Folie über das aktuelle Stadtleben legte. Inzwischen ist die Audioinstallation über das Internet frei verfügbar und kann unter www.rimini-protokoll.de heruntergeladen werden.

Je näher der denkwürdige 50. Jahrestag des Mauerbaus vom 13. August 1961 rückt, desto umtriebiger wird auch die theatrale Aufarbeitungsszene. Der Künstler Uwe Mengel, der als Theologiestudent zu DDR-Zeiten selbst nach West-Berlin flüchtete und 1980 nach New York übersiedelte, lässt in seiner frei zugänglichen Performance-Installation „Frontstadt Westberlin – August 1961“ (10.–12.8., 18–20 Uhr) das Lebensgefühl der geteilten Stadt in der Zeit vor dem Mauerbau wieder aufleben. Rund um die „Verkehrskanzel“ am Kurfürstendamm – jenes denkmalgeschütze 50er-Jahre-Bauwerk an der Ecke Kurfürstendamm/Joachimsthaler Straße, von dem aus noch bis in den Oktober 1962 hinein ein Verkehrspolizist manuell die Ampelschaltung regelte – rufen Fotos, historische Radio-O-Töne von Ost- und Westsendern sowie die Akteurin Jana Köder die ideologisch unterschiedlichen Perspektiven auf den Ku’damm als Schaufenster des kapitalistischen Westens der 50er wach.

Kurz darauf (13./14.8., jeweils 11 bis 15 Uhr) erinnern Theaterszenen in der Ladenpassage des Bahnhofs Friedrichstraße an den deutsch-deutschen Grenzverkehr und Menschen, die die DDR via S-Bahn über die Sektorengrenze nach Westberlin verließen. Das von der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde auf der Basis von Zeitzeugenberichten, Zeitungsartikeln, Polizeiprotokollen, Dienstanweisungen und anderen historischen Dokumenten erarbeitete Projekt wird im Rahmen der Ausstellung „Der geteilte Bahnhof“ gezeigt.

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