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Spielsachen: Wodka und Wehmut

Christine Wahl über Schank und Schwank auf der Bühne.

Bei der Suche nach der kürzesten Verbindung zwischen Kunst und Leben haben sich kürzlich vier Schauspieler in Frankfurt besonders realistisch ins Zeug gelegt Auch der Tagesspiegel berichtete darüber, dass sie während der Lesung eines Trinker-Textes echten Wodka kippten. Daraufhin haben wir uns ebenfalls investigativ ins Zeug gelegt – und siehe da: Der Alkoholkonsum auf der Bühne hat Tradition. Auch in Berlin. Allerdings kann er auch überraschendere Folgen haben als in Frankfurt, wo ein Schauspieler ins Krankenhaus musste.

Zum Beispiel im Maxim Gorki Theater. 1970, zu tiefsten realsozialistischen Zeiten, hatte dort Rudi Strahls Komödie „In Sachen Adam und Eva“ Premiere. Die Säuglingsschwester Eva Müller und der „Autoschlosser, FDJler und Linksaußen bei Motor Köpenick“ Adam Schmitt mussten sich dort einem juristischen Treuewahrscheinlichkeitstest unterziehen, bevor sie heiraten durften. Unter gezielter Alkoholeinwirkung brachten sie lauter Schlüpfrigkeiten aus ihrem Vorleben an den Tag. Zum Beispiel „Hansi, den Trompeter“ oder Gedankengut über Blusenausschnitte. Kurzum: An der inhaltlichen Brisanz allein kann es nicht gelegen haben, dass „In Sachen Adam und Eva“ mit 505 Vorstellungen zur erfolgreichsten Gorki-Inszenierung überhaupt avancierte. Vielmehr wurde während der Aufführung, die an kleinen Kneipentischchen im Foyer stattfand, – jetzt kommt’s – Alkohol ausgeschenkt.

Leider bringt die Tiefenrecherche im Gorki-Archiv, kleiner Wermutstropfen an dieser Stelle, den schönen Mythos von der ostdeutschen Solidarität ins Wanken. Zumindest, was die Schauspieler betrifft. „Alkohol, der während der Aufführung mit den Zuschauern getrunken werden soll, wird bereits vor der Vorstellung zu sich genommen“, vermerkt ein hausinternes Krisensitzungsprotokoll kurz nach der Premiere.

So gesehen ist es also nur als faire Maßnahme zu begrüßen, dass inzwischen – zum Beispiel auch im Gorki, wenn heute Abend um 19.30 Uhr Professor Unrat gegeben wird – Bühnenperformance und Alkoholausschank im Foyer zwei Paar Schuhe sind. Dienst ist Dienst.

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