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Kultur: Sprechtheater: Wir sind der Chor

Am Ende war die Hälfte der Zuschauer geflüchtet. Die, die noch ausharrten, waren wohl Angehörige und Freunde der Schauspieler.

Am Ende war die Hälfte der Zuschauer geflüchtet. Die, die noch ausharrten, waren wohl Angehörige und Freunde der Schauspieler. Die Theatergruppe Matthaei und Konsorten hatte sich an den "Backchen", dem letzten Stück des Euripides versucht und kräftig danebengelangt.

Das lag vor allem an der verunglückten Idee, den Chor von Passanten sprechen zu lassen und diesen Vorgang per Video an die Wand zu projizieren. Da stottern die armen Durchschnittsberliner den antiken Text, den sie nie zuvor gehört haben, nicht richtig lesen können und nicht verstehen. Es ist qualvoll, mit anzusehen, wie dem Drama im Kunstforum Elisabeth die Dramatik abgeschlagen wird. Dionysos, der Gott der Ausschweifungen, kommt nach Theben, mit ihm sein Gefolge, die Backchen. Doch Pentheus verleugnet den Gott. Dionysos lockt ihn in eine Falle, und die Backchen zerreißen ihn in einer Orgie der Raserei.

Mit der sinnlichen Handlung kontrastiert die Körperlosigkeit der Aufführung, die reines Sprechtheater ist. Das Ganze ist auf Hypnose angelegt, Weihrauch duftet, das Licht ist gedimmt, die Schauspieler sprechen taktvoll. Doch nur am Ende ahnt man, was aus dem Text hätte werden können, den der Schriftsteller Raoul Schrott neu erarbeitet hat. Als Agave (Klara Höfels), Mutter des Pentheus, und König Kadmos (Bernd Kebelmann) Zwiesprache halten, gewinnen die Worte endlich Bedeutung. Doch Regisseur Jörg Lukas Matthaei hielt es für wichtiger, das Stück zu brechen, und lässt seine Schauspieler mit einem völlig überflüssigen Mikrofon hantieren. Warum? Wozu? Der Raum hat eine sehr schöne Akustik. Ein paar Einfälle hätten der Inszenierung jedenfalls gut getan.

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