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Kultur: Spuk aus der Kiste

TANZTHEATER

Vielleicht kennen Sie diese Sogwirkung. Der Spuk will sich einfach nicht abstellen lassen. Steven Spielberg ließ in „Poltergeist“ gleich alle Dämonen der Unterwelt aus dem Fernseher kreischen. Dass es mit den TV-Bildwelten eine unheimliche Bewandtnis hat, ist also nicht Neues. Die fetzige Formation Grupo de Rua de Niterói aus Brasilien gewinnt der morbiden Strahlkraft des Fernsehens dennoch einen wunderbaren Tanzabend ab, der nun im Berliner Hebbel am Ufer, im HAU 1 gastiert.

Anfangs stehen vier Typen teilnahmslos auf der Bühne herum. Einer geht in Zeitlupe zu Boden, zwei blicken ratlos umher, ein dritter bricht in Gelächter aus. Erst viel später gibt ein Schriftband Auskunft: Von den vieren hat einer sein Geld verloren, zwei andere suchen es, der vierte findet’s. Worauf das Bühnengeschehen in eine höchst uneigentliche Phantasmagorie übergeht: Leuchtbänder erklären die Akteure zu Pinguin und Schildkröte, Astronaut und Jäger, und alle zeigen ihre HipHop-, Breakdance-, Smurf oder Electric Boogie-Qualitäten. Schließlich beginnt das Spruchband, seine eigene, kosmische Star Wars-Rambo-Alien-Apokalypse zu erzählen, und ein Live-Kommentator aus dem Publikum berichtet von großen Gefühlen. Und alle toben herum. Eine perfekt synchronisierte Mensch-Maschinen-Choreogafie: Man geht ab in die Kulisse, taucht in seitlich ausgestellten Videofenstern wieder auf, Lichter blitzen, Nebel wallen, Filmmusik dröhnt. Bruno Beltrão, dem 24-jährigen Wunderchoreografen aus Rio, gelingt mit seinem glamourösen „ Telesquat – Fernsehsucht“ (bis Sonntag, jeweils 19.30 Uhr) ein fulminantes Revuestück über mediale Märchenfantasien: intelligent, verspielt, mit der lässigen Bravura der Streetdance-Kultur.

Franz Anton Cramer

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