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Seid umschlungen, Ambitionen! Szene aus „Click-Pause-Silence“.

© Imago/DRAMA-Berlin.de

Staatsballett Berlin: Am Boden

Das Staatsballett Berlin zeigt den dreiteiligen Abend „Duato / Kylián“, und Chef-Choreograf Nacho Duato kann leider nicht überzeugen.

Von Sandra Luzina

Nun hat er die Katze aus dem Sack gelassen. Im August letzten Jahres trat Nacho Duato die Nachfolge von Vladimir Malakhov als Intendant des Staatsballetts Berlin an. Auf eine neue Kreation des spanischen Choreografen mussten die Berliner lange warten. Er wolle die Tänzer erst einmal kennenlernen, ließ Duato verlauten. Zehn Monate nahm er sich dafür Zeit, das sind luxuriöse Bedingungen im Opernbetrieb. Derweil wurden ältere Choreografien aufgewärmt: Zum Einstand in Berlin gab es im Februar „Dornröschen“, eine Auftragsarbeit, die 2011 am Mikhailovsky-Theater St. Petersburg herauskam. Es folgte im März das Bach-Ballett „Vielfältigkeit – Formen von Stille und Leere“, das 1999 in Weimar Premiere hatte. Es gilt als eine seiner erfolgreichsten Arbeiten, hat inzwischen aber Patina angesetzt.

Mit „Static Time“, dem Auftakt des dreiteiligen Ballettabends „Duato/Kylián“ im Schiller Theater stand nun endlich eine Uraufführung auf dem Programm des Staatsballetts. Doch leider bestätigte das knapp 30-minütige Werk nur die Befürchtung, dass der 58-Jährige kaum noch kreativen Drive hat.

Für „Static Time“ hat Bühnenbildner Jaffar Chalabi ein massives schwarzes Gehäuse konstruiert, dass sich heben und um 90 Grad kippen lässt. Im Inneren eine spiegelnde Fläche, die rotiert. Doch geheimnisvoll wirkt das nicht, zumal die Tänzer kaum Bezug haben zu dem Trumm im Hintergrund. Die Choreografie beginnt mit einem Duett von Arshak Ghalmyan und Dominic Hodal, das homoerotisch angehaucht ist, wenn auch auf recht verquere Weise. Die Beziehung der beiden Männer bleibt jedenfalls nebulös. Eher ruppig rücken die beiden sich auf den Leib, Anziehung und Abwehr gehen Hand in Hand. Sie ziehen und zerren aneinander, verkeilen ihre Körper, rollen übereinander oder schleifen den Partner über den Boden. Der eine hängt dem anderen wie ein Klotz am Bein. Oder wird niedergedrückt, ja regelrecht plattgemacht.

Das Geturne wirkt reichlich uninspiriert. Ghalmyan presst sich wiederholt die Hände an die Schläfen – eine Kopfschmerz-Geste. „Static Time“ gibt sich tiefsinnig, doch zu sehen ist nur Pseudoexistenzialistisches. Der Choreografie liegen drei langsame kammermusikalische Sätze von Mozart, Rachmaninow und Schubert zugrunde. Pedro Alcade und Sergio Caballero haben eine Introduktion, Zwischenmusiken und einen Schluss komponiert. Aus den spröden und reduzierten Klängen ragen die klassischen Werke heraus wie Erinnerungen an selige Zeiten. Sie spülen die anderen sechs Tänzer auf die Bühne. Die Ballerinen werden meist von zwei Männern getragen und zusammengefaltet. Im letzten Bild steht die Gruppe still mit leicht nach vorn gekippten Körpern. Bis alle zappelnd am Boden liegen. Schuberts Adagio bringt auch keine Erlösung. „Static Time“ gibt sich den Anstrich von Intellektualität, wirkt aber nur gespreizt und uninspiriert.

Mit „Click–Pause–Silence“ nimmt der Abend dann nicht etwa Fahrt auf. Altmeister Jirí Kylián übt sich in Dekonstruktion bei dieser Arbeit, die er 2000 für das Nederlands Dans Theater schuf. Der Komponist Dirk Haubrich hat Bachs Präludium Nr. 24 b-Moll aus dem „Wohltemperierten Klavier“ zerlegt und regelrecht atomisiert. Dazu zergliedert und verformt Kylian das klassische Tanzvokabular. Stroboskop-Licht und ein Spiegel werden eingesetzt. Und ewig dreht sich der Flachbildfernseher. Das wirkt alles ausgetüftelt und doch ziemlich altmodisch.

Nacho Duato greift dann auf scheinbar Bewährtes zurück: „White Darkness“ zu Musik von Karl Jenkins kreierte er 2001 für die Compania Nacional de Danza in Madrid. In dem Stück verarbeitet er den Drogentod seiner Schwester, was man nicht unbedingt erkennt. Krasina Pavlova tanzt die Hauptrolle in dem Requiem. Immer wieder fängt Mikhail Kaniskin die Frau ein. Vergeblich versucht er sie wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Zuerst fällt nur wenig weißes Pulver von oben: Leise rieselt der Schnee. Am Ende regnet es wie ein Wasserfall auf Krasina Pavlova herab. Ein schönes Bild, das aber nichts von den Qualen der Süchtigen erzählt. Man sieht durchästhetisierte Bewegungen, wobei Duato vorwiegend Floskeln aneinanderreiht. Gemessen an der harten Thematik wirkt das Stück unglaublich gefällig.

Nach diesem Abend, dem es an Esprit wie an Formbewusstsein fehlt, gewinnt man den Eindruck, dass Nacho Duato in seiner choreografischen Entwicklung stehen geblieben ist. Ihm ist nicht zuzutrauen, dass er dem Staatsballett Berlin zu neuer Strahlkraft verhilft. Ballett in Berlin – das bleibt ein Trauerspiel.

Wieder am 20., 22., 23., 25. und 30. Mai in der Staatsoper im Schiller Theater

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