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Kultur: Staatsfeind, Kämpfer, Demokrat

Zum 200. Geburtstag von Johann Jacoby

Als der Königsberger Arzt Johann Jacoby 1848 die Paulskirche in Frankfurt am Main betrat, brauste stürmischer Beifall auf. Jedermann kannte den berühmten Kämpfer für eine demokratische Verfassung in Preußen. 1841 hatte er in der im Untergrund verbreiteten Schrift „Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen“ vom König die sofortige Einführung einer liberalen Verfassung verlangt.

Innenminister Rochus von Rochow, der berüchtigte Urheber des Wortes vom „beschränkten Untertanenverstand“, hatte ihn zwar des Hochverrats für schuldig befunden (worauf die Todesstrafe stand). Doch Jacoby gelang es in zweijährigem Kampf, seinen Freispruch zu erreichen. Furchtlos hatte er die verschiedenen Phasen seines Prozesses durch weitere Schriften in allen Einzelheiten bekannt gemacht und so die Demokraten ermutigt und geeint. Ob Marx oder Heine, Struve oder Herwegh, Ruge oder Blum: Alle kannten ihn und sein Schicksal und fühlten sich ihm verbunden.

Die leidvolle Erfahrung, als Jude diskriminiert zu werden, hatte in Jacoby den leidenschaftlichen Wunsch geweckt, sein Leben dem Kampf für die Gleichberechtigung aller Menschen zu widmen. In der Paulskirche setzte er sich vor allem für die Freiheit der unterdrückten Polen ein.

Auch in der preußischen Nationalversammlung wirkte Jacoby als Abgeordneter für die Rechte des Volkes. Hatte er zu Beginn der Revolution noch gejubelt: „Endlich wird es Tag in Deutschland! Jetzt atme ich wieder frei auf“, so musste er in Berlin miterleben, wie im Laufe des Jahres 1848 die Reaktion unaufhaltsam erstarkte. Noch einmal machte er von sich reden, als der preußische König eine Abordnung der Nationalversammlung abblitzen ließ, die mit einer Petition bei ihm in Schloss Sanssouci erschienen war. Zum Schrecken seiner Begleiter rief er dem selbstherrlich davonschreitenden Monarchen hinterher: „Das ist das Unglück der Könige, dass sie die Wahrheit nicht hören wollen!“ Das war nach dem Herzen des Volkes – und drei Tage später huldigten ihm Tausende im Zentrum Berlins mit einem Fackelzug .

Später kämpfte Jacoby als Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses vergeblich gegen Bismarcks „Blut-und-Eisen-Politik“, wie er sie nannte. Nach seinem Tod 1877 stellten die Stadtverordneten von Königsberg seine Büste in ihrem Sitzungszimmer auf. Doch die Regierung verlangte ihre sofortige Entfernung. Jacoby war 1872 der Sozialdemokratischen Partei beigetreten und galt deshalb als Staatsfeind. Es ist an der Zeit, sich dieses mutigen Kämpfers endlich wieder zu erinnern.

Hans Doderer

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