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Solocellistin Sennu Laine

© Promo

Staatskapelle Berlin: Lebensrumms

Daniel Barenboim führt seine Staatskapelle durch ein französisches Programm mit Sennu Laine als Solistin in Dutilleux' Cellokonzert.

Ein französischer Abend der Staatskapelle in der Philharmonie – und doch gleicht er einer kleinen Europareise. Das Programmheft suggeriert, Debussy habe mit seinen „Images“ musikalische Porträts von England, Frankreich und Spanien schreiben wollen. Zumindest das letzte ist tatsächlich „Ibéria“ betitelt. Da klackern die Kastagnetten und rasselt die Schellentrommel, da entsteht das Sehnsuchtsbild eines Landes, das Debussy nie besucht hat. Daniel Barenboim dirigiert das rhythmisch zugespitzt und teils auswendig. Was nicht verhindert, dass das Publikum noch zur Pause spürbar fremdelt. Vielleicht vermisst es den betörenden Klangmaler Debussy – der allerdings gesagt haben soll, nur Dummköpfe würden seine Musik als „Impressionismus“ bezeichnen.

Mit der Finnin Sennu Laine als Solistin in Henri Dutilleux’ Cellokonzert hellt sich die Stimmung nicht auf. Dutilleux, der erst vor drei Jahren gestorben ist und in diesem Januar seinen 100. Geburtstag hätte feiern können, gründelt auf Klangfarbenmeistern wie Debussy und Ravel und stößt sich doch mit eigenem Stil von ihnen ab. In den fünf von Versanfängen aus Baudelaires „Fleurs du mal“ inspirierten Abschnitten des Cellokonzerts gibt er dem Soloinstrument mit Kantilenen und Kadenzen vor allem in den Satzanfängen viel Raum, vom Orchester häufig nur dezent umspielt. Laine scheint diese Musik bis auf den Grund zu empfinden. Allein, sie ist so beschäftigt, ihr bis in die Verästelungen zu folgen, dass sie sich im Klein-Klein verliert und den großen Bogen vergisst. Was aufblühen könnte, verdorrt. Vom Orchester, etwa den feingesponnenen Streichern, wird sie ausgebootet.

Ein später Durchbruch dann mit Maurice Ravel: Noch mehr imitierte Natur in seiner zweiten „Daphnis et Chloé“-Suite, aber wie fantastisch ist das instrumentiert, wie feinzart lässt die Staatskapelle den Tag dämmern, die Sonne aufgehen – auch wenn Barenboim voreilig die Dynamik hochzieht und immer wieder gezielt auf ein großes „Rumms!“ zusteuert. Knallige Spitzen, an denen die Interpretation regelmäßig zerschellt. Sei’s drum, die Streicher spielen gleißend schön, das Flötensolo huscht zwischen Verschattung und sprudelnder Fröhlichkeit hin und her. In der einen Atemzug langen Stille nach dem letzten Rumms entfährt einem Besucher ein befreites, beseeltes, weltumarmendes „Ja!“ – bevor der Jubel losbricht.

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