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Paulick-Saal_leer

© Staatsoper

Staatsopern-Streit: Oh, wie schön ist Rokoko

Der Paulick-Saal der Staatsoper Unter den Linden bleibt erhalten. Über das gesamte Sanierungsprojekt ist damit aber noch nicht entschieden. Lesen Sie hier, wie es zu dem Beschluss kam – und was er für Berlin bedeutet.

Es ist entschieden: Alles wird neu, alles bleibt beim Alten bei der Staatsoper Unter den Linden. Der jetzige Saal, 1952 bis 1955 nach den Plänen des DDR-Architekten Richard Paulick erbaut, wird denkmalgerecht saniert. Nach Informationen dieser Zeitung haben sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Kulturstaatsminister Bernd Neumann in einem Spitzengespräch am Montagnachmittag darauf geeinigt. Der heftig umstrittene Plan für einen Totalumbau des Zuschauerraums wird nicht realisiert, der Entwurf des Wettbewerbssiegers Klaus Roth, der einen modernen Saal vorsah, ist damit vom Tisch. Alle weiteren Ergebnisse des Gesprächs sowie Details zur ab 2010 geplanten Sanierung der Staatsoper wird Klaus Wowereit heute in einer für 14 Uhr anberaumten Pressekonferenz bekanntgeben.

Zwar waren weder von der Senatskulturverwaltung noch aus dem Hause Neumann Stellungnahmen zu erhalten. Aber der Entschluss zur Beibehaltung der Rokoko- und Barock-Architektur der 1950er-Jahre war absehbar, spätestens seitdem durchgesickert ist, dass Generalmusikdirektor Daniel Barenboim nach einem ersten Zwischenruf zugunsten des Roth-Entwurfs in Richtung Paulick eingelenkt haben soll.

Wie es weitergeht, ist aber noch lange nicht entschieden. Denn in der bisherigen Saalschlacht wurde oft vergessen, dass die Frage nach der Gestaltung des Innenraums eigentlich nur eine Fußnote im „beschleunigten Verhandlungsverfahren für Generalplaner“ ist, das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgelobt wurde. Klaus Wowereit wird heute also verkünden, ob das gesamte Verfahren neu aufgerollt wird und die Sanierung sich deshalb verzögert. Oder ob einer der Wettbewerbssieger aufgefordert wird, seinen Entwurf nach der neuen Maßgabe zu verändern. Gesucht wird ja ein Architekturbüro, das ein 241-Millionen-EuroProjekt stemmen kann, bei dem die Bühnentechnik komplett erneuert, ein unterirdisches Magazin- und Logistikzentrum errichtet, die Situation der Probenräume neu geregelt und die Verwaltungsgebäude renoviert werden. Das Haus muss bis auf den Rohbau abgetragen und nach heutigen Brandschutzvorschriften wieder aufgebaut werden. Es geht also um Statik und Tiefbau, um Technik und Nutzungskonzepte. Und um die problematische Akustik und die unkomfortablen Sichtverhältnisse des Zuschauersaals. Die Lösung dieser Problematik, heißt es nun, soll behutsam angegangen werden.

Ganze fünf Prozent der Bausumme sind für den Saal reserviert, über den seit Bekanntwerden der Juryentscheidung zugunsten des Roth-Entwurfs Mitte Mai eine „Geschmacksdebatte von abstrusen Ausmaßen“ entbrannt war, wie der FDP-Politiker Christoph Meyer sie letzten Donnerstag bei der aktuellen Stunde im Berliner Abgeordnetenhaus nannte. Die Geschmacksdebatte hat Wowereit nun im Handstreich beendet. Aber das weitere Procedere ist knifflig, handelt es sich doch um eine im Vergleich zum ursprünglichen Wettbewerb geänderte Aufgabenstellung, wie Klaus Roth gegenüber dem Tagesspiegel erläuterte.

Sollte sich der Senat an die Regeln des EU-normierten Verfahrens halten, könnte der Architekt dennoch den Zuschlag als Generalplaner erhalten. Wenn die Politik auf ihn zukommt und ihn um eine Überarbeitung seines Entwurfs, sprich: um die Sanierung von Paulicks Rokoko-Nachschöpfung bittet, sei er dafür aufgeschlossen. „Ich bin gesprächsbereit“, sagte Roth. Eine Variante, die der ehemalige Kultursenator Thomas Flierl favorisierte: Roth bitten, Paulick zu sanieren. Angesichts des attraktiven Auftragsvolumens verwundert solche Kompromissbereitschaft kaum. Auch Norman Foster wollte den Reichstag eigentlich mit einem gigantischen Glasdach überspannen – und baute am Ende eine Kuppel.

Schon aus Zeitgründen ist kaum wahrscheinlich, dass Wowereit, Kulturstaatsminister André Schmitz und die Stadtentwicklungsverwaltung das gesamte Verfahren platzen lassen. Aber Wowereit hatte bei der aktuellen Stunde erklärt, im noch nicht abgeschlossenen Verfahren würden auch die Vorschläge der zweit- und drittplatzierten Architektenbüros geprüft. Es könnte auch sein, dass diese im Wettbewerb unterlegenen Büros – das Düsseldorfer Büro HPP sowie Gerkan, Marg und Partner – den Senat nun mit einer Klagewelle überziehen. Denn sie hatten ja von vornherein eine behutsame Renovierung vorgeschlagen, außerdem ist das Verfahren juristisch angreifbar, da auch Jurymitglieder sich an der Saalschlacht beteiligt haben. Für die Roth-Variante spricht dennoch, dass er bei der sogenannten Punktwertung der drei bestplatzierten Wettbewerbsgewinner vorne liegt.

Und was sagen die Betroffenen? Daniel Barenboim möchte sich erst äußern, wenn bekannt ist, wie es weitergeht. Seit dem Weggang von Peter Mussbach hat das Haus nur einen Interims-Intendanten. Bleibt der Direktor der Opernstiftung, der die Belange der Staatsoper in der Öffentlichkeit vertritt. Stefan Rosinski hatte in der Debatte leidenschaftlich für den Roth-Entwurf plädiert, nun ist er enttäuscht. „Wenn man Klaus Roth bittet, Paulick zu bauen,“ so Rosinski zum Tagesspiegel, „ist das so, als würde man Helmut Lachenmann beauftragen, im Stil von Mozart zu komponieren.“

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