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Stadt der Kulturen der Welt: Berlin hat die Zukunft noch nicht begriffen

Humboldt-Forum, Festspiele, die globalisierten Künste: Viel österreichische Farbe und Erfahrung in der Kulturpolitik des Bundes für Berlin.

Eine Personalrallye zum Jahresende war das – nach langem Warten. Am Montag stellt Bernd Neumann, der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Projektgruppe für das Humboldtforum vor, mit dem Kulturmanager Martin Heller an der Spitze. Am Dienstag steht fest, wer künftig die Berliner Festspiele leiten wird: Thomas Oberender, der Schauspielchef der Salzburger Festspiele. Martin Heller, ein Schweizer, war zuletzt für den Auftritt von Linz als Kulturhauptstadt Europas verantwortlich. Viel österreichische Farbe und Erfahrung in der Kulturpolitik des Bundes für Berlin, es gibt Schlechteres.

Martin Heller hat eine schwierige und noble Aufgabe. Er soll mit seinem Beraterstab die Idee des Humboldtforums ins Bewusstsein der Öffentlichkeit heben. Bisher hat das noch niemand ernsthaft und kontinuierlich versucht, wie auch. Denn es wird leicht vergessen, dass jenes Forum mit dem Namen der großen deutschen Entdecker, Wissenschaftler und Bildungsvisionäre ganz und gar vom Wiederaufbau des Stadtschlosses abhängt. Da hätte manch einer eine andere Nutzung lieber gesehen, vor allem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ fährt eine Kampagne gegen die Ansiedlung der außereuropäischen Sammlungen in der Mitte der Hauptstadt und die Einrichtung einer Agora. Die Fraktion der Gediegenen wünscht sich die Gemäldegalerie ins Schloss, also im Grunde ein Festhalten am alten Kolonialdenken und nichts Zukunftsweisendes, während die Humboldt-Befürworter bisher blockiert waren durch Partikularinteressen.

Erschwerend kommt hinzu: Einige Akteure wie das Haus der Kulturen der Welt und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind Einrichtungen des Bundes, andere wie die Humboldt-Universität oder die Landesbibliothek werden vom Land Berlin getragen. Und eine Institution wie das Hebbel am Ufer, das sich auf internationaler Ebene als Vorreiter glänzend bewährt hat, wird in die Überlegungen für das Humboldt-Forum gar nicht erst einbezogen. Ein Kopf und Motor wie HAU-Intendant Mattias Lilienthal – er hört dort 2012 auf – droht der Hauptstadt verloren zu gehen. Auch ein Weltbürger wie der scheidende Festspiele-Intendant Joachim Sartorius täte der Humboldt-Truppe gut.

Es ist eine aufregende Zeit für die Kulturpolitik der Hauptstadt – wenn man die Zeichen erkennt. Seit der Wende ist es stets darum gegangen, Institutionen zu erhalten und auszubauen. Das geschah, alles in allem, recht reibungslos, Berlin gehört heute unbestritten zu den Kulturmetropolen der Welt. Aber es hat sich noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit diesem schönen Gefühl und Erfolg eine nicht leicht zu steuernde Dynamik verbunden ist.

Um sich das klarzumachen, muss man einmal ins Jahr 2020 springen. Das Humboldtforum sollte dann eröffnet sein – aber was wird dann aus dem Haus der Kulturen der Welt (dessen Intendant Bernd Scherer bei Martin Heller im Beratergremium sitzt)? Ist es in der Agora aufgegangen, finden also in zehn Jahren die Symposien, Ausstellungen, Konzerte und Happenings à la HKW im Humboldtforum statt? Es läge nahe. Was spielt sich dann in der Kongresshalle ab, dem Domizil des HKW seit seiner Gründung 1989? Und was ist 2020 mit dem HAU, wie lautet sein Auftrag? Lässt sich der Innovationsschub wiederholen, den Lilienthals Arbeit seit 2003 der gesamten Kulturszene gegeben hat?

Und wie stehen die Berliner Festspiele dereinst dar? Traditionelle Programme wie das deutschsprachige Theatertreffen, das Jazz-Fest oder das Musikfest wird der neue Intendant Thomas Oberender wohl nicht antasten. Bei anderen Veranstaltungen – man denke nur an das Internationale Literaturfestival oder die Berliner Lektionen – liegt die Verbindung zu einem funktionierenden Humboldt-Forum auf der Hand. Schon jetzt berühren sich Festspiele und Haus der Kulturen der Welt programmatisch, die Parallelen werden noch zunehmen. Weil die Welt zwar ziemlich groß, aber nicht grenzenlos ist. Berliner Institutionen konkurrieren ja bereits jetzt um Kompetenz und Originalität im internationalen Veranstaltungsbetrieb. So wie sich Berlin in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat, kann man es im Ganzen als ein Haus oder Hotel der Kulturen der Welt verstehen, ohne dass die einzelnen Zimmer miteinander verbunden wären.

Wie das HKW, so waren die Berliner Festspiele in den siebziger und achtziger Jahren mit den „Horizonte“-Festivals eine (einzige) internationale Plattform. „Horizonte“-Erforscher Gereon Sievernich macht heute im Martin-Gropius-Bau bemerkenswerte Ausstellungen, die auch ein großes Publikum anziehen. Das ist eine Linie, der man folgen kann: Visionäre Programmarbeit macht Schule, führt aber auch dazu, dass bestehende Institutionen sich wandeln oder gar in neuen Einrichtungen aufgehen.

Wenn es nicht bloß ein Trostpreis für Schlossgegner werden soll, eine museale Mogelpackung, dann reißt das Humboldtforum eingeübte Strukturen auf und führt sie neu zusammen. Bernd Neumann allerdings macht den Eindruck, dass man sich zwar gern mit allen internationalen Wassern wäscht, aber dabei nicht nass werden will.

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