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Stadtbild: Jüdisches Leben zurück in Hamburg

Mit der offiziellen Wiedereröffnung der Talmud-Tora-Schule an diesem Sonntag kehrt in der Hamburger Grindel-Gegend wieder jüdisches Leben am historischen Ort ein.

Schlomo Schwartzschild lebte bis zu seinem 14. Lebensjahr im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. "Ich ging gern zur Talmud-Tora-Schule, die ganze Grindel-Gegend war für uns Kinder wirklich schön", erinnert er sich. Der 81-Jährige lebt heute in Haifa, einer Hafenstadt im Norden Israels. Seine Eltern und sein Bruder wurden gemeinsam mit Hamburgs damaligem Oberrabbiner Joseph Carlebach nach Riga deportiert. Trotzdem hängt Schlomo Schwartzschild an seiner Geburtsstadt: "Ich fliege alle zwei Jahre nach Hamburg, besuche alte Freunde und staune über die alten Pötte, die sich an den Landungsbrücken vorbeischieben."

1933 lebte etwa ein Viertel der 20.000 Hamburger Juden zentral im Grindelviertel zwischen Dammtorbahnhof und Isebekkanal. 1895 war die Neue Dammtor-Synagoge eingeweiht worden, 1906 die am Grindelhof - beide existieren heute nicht mehr. Daneben entstanden Einrichtungen wie die Talmud-Tora-Realschule am Grindelhof. Bis heute erinnerten nur noch Stelen, Gedenktafeln und so genannte "Stolpersteine" auf den Bürgersteigen an das einstige jüdische Leben am Grindel. Mit der offiziellen Wiedereröffnung der Talmud-Tora-Schule an diesem Sonntag kehrt nun wieder jüdisches Leben am historischen Ort ein.

Ein erhabenes Gefühl

"Das Herz des jüdischen Lebens in Hamburg schlägt wieder an seinem angestammten Platz im Grindelviertel", freute sich Andreas Wankum, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, bei der Einweihung im März. Bald werden hier wieder Kinderstimmen durch die lichtdurchfluteten Räume hallen. Die für drei Millionen Euro sanierte Schule beherbergt die Gemeindeverwaltung, einen Kindergarten, einen Hort und ab dem Schuljahr 2007/2008 die wiedergegründete jüdische Joseph-Carlebach-Schule - eine Ganztagsschule, in der die Kinder bis 18 Uhr betreut und mit koscherem Essen versorgt werden. Nach dem Krieg hatte die Stadt das 3000 Quadratmeter große Gebäude von der Jewish-Claims-Conference gekauft, 2004 gab sie es an die jüdische Gemeinde zurück.

Für den Hamburger Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay ist der Einzug in das 1911 errichtete Gebäude ein höchst bedeutsames Ereignis: "Das ist ein erhabenes Gefühl, an diesen Ort zurückzukehren, an dem so viel Judentum gelehrt wurde", sagt der 59-Jährige, der seit 1993 Rabbiner der Gemeinde ist. Seitdem hat sich das Gesicht der Gemeinde stark verändert. "Zu Beginn meiner Arbeit in Hamburg hatten wir 1000 Mitglieder, darunter viele Perser. Mittlerweile kommen fast 90 Prozent der 4000 Gemeindemitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion."

"Das bringt auch viele Probleme mit sich", sagt Barsilay, der in Tel Aviv geboren wurde und 1962 "aus Neugier" mit seiner Frau nach Deutschland kam. "Wir waren auf den Ansturm aus dem Osten wenig vorbereitet", sagt der Rabbiner. Die neuen Gemeindemitglieder kämpften zunächst mit Existenzproblemen, mussten Deutsch lernen und eine Arbeit finden. "Viele hatten vom Judentum wenig Ahnung." Durch das neue Gemeindezentrum erhofft sich Barsilay auch eine Stärkung des jüdischen Lebens in Hamburg. "Ich wünsche mir, dass viele Schüler in die neue Schule gehen, mehr Besucher zum Gottesdienst kommen und sich in der Gemeindearbeit engagieren", sagt der Rabbiner.

Carola Große-Wilde[dpa]

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