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Kultur: "Stadtblicke": Ansichten aus der Gründerzeit: Fotografien vom ewigen Aufbau Berlins

Ein kleines Städtchen am Fluss, das Ufer ist gesäumt von Fachwerkhäusern, ein Fabrikschlot reckt sich gen Himmel, im Hafen liegen schwer beladene Lastkähne. Doch die Aufnahme zeigt kein Provinzkaff, sondern Berlin Mitte im Jahre 1855.

Ein kleines Städtchen am Fluss, das Ufer ist gesäumt von Fachwerkhäusern, ein Fabrikschlot reckt sich gen Himmel, im Hafen liegen schwer beladene Lastkähne. Doch die Aufnahme zeigt kein Provinzkaff, sondern Berlin Mitte im Jahre 1855. Eine Zeit, in der es an der Stralauer Straße sogar eine Flussbadeanstalt. "Stadtblicke" heißt eine Ausstellung in der Grundkreditbank, die 120 Fotografien aus der Zeit von 1855 bis 1912 aus Beständen des Berliner Stadtmuseums zeigt, dessen Sammlung insgesamt 130 000 Originale umfasst. Hinzu kommen Aufnahmen, die die jüngsten Veränderung an Friedrichstraße, Potsdamer Platz und Reichstag dokumentieren. Wie nach der Wende machte Berlin bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine dramatische Verwandlung durch: Neue, repräsentative Gebäude entstanden, ganze Viertel wurden erschlossen, die Einwohnerzahl wuchs um mehr als das Vierfache auf zwei Millionen an, der Nah- und Fernverkehr wurde ausgebaut. Die Stadt an der Spree war nicht mehr Königliche Residenz Brandenburg-Preußens, sondern die Hauptstadt des neu gegründeten Kaiserreichs. Und der Herrscher räumte gleich auf: Den alten Dom auf dem Schlossplatz ließ er sprengen, stattdessen wurde 1893 ein kaiserlicher Monumentalbau an derselben Stelle errichtet. König Wilhelm III. war in den Jahren zuvor auch nicht zimperlich mit historischen Gebäuden umgegangen. Das aus dem 13. Jahrhundert stammende Alte Rathaus wurde kurzerhand abgerissen und 1861 der Grundstein für das Rote Rathaus gelegt.

Der Schienenverkehr war zur Zeit Kaiser Wilhelms ebenso gut ausgebaut wie heute: 1882 wurde die Stadtbahn eröffnet, eine zwölf Kilometer lange Strecke vom Schlesischen Bahnhof (dem heutigen Ostbahnhof) über Zoo nach Charlottenburg. Auch das U-Bahnnetz wurde erweitert. Beim Bau der Hochbahntrassen verzichtete man darauf, im Weg stehende Häuser abzureißen: Zwischen Gleisdreieck und Bülowstraße brach man einfach ein Loch in ein Gebäude, um die Gleise hindurchzuleiten. Noch heute frisst sich die U-Bahn mitten durch das Haus in der Dennewitzstraße. Obwohl sich viele der abgebildeten Orte bis heute kaum verändert haben (Oberbaumbrücke, Gendarmenmarkt und Humboldt-Universität), scheint die Friedrichstraße schon im Jahr 1994 ein Relikt vergangener Zeiten zu sein.

ise

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