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Stadtschloss: Startbahn Mitte

Am Donnerstag wird mit viel Prominenz der erste Spatenstich fürs Berliner Stadtschloss ausgeführt. Aus gegebenem Anlass sagen wir jetzt schon mal eine leichte Verzögerung bis zur Fertigstellung des 590 Millionen Euro teuren Baus voraus.

Nein, wir wollen jetzt nicht in vorauseilendes Bangen und Seufzen verfallen, weil Berlin gerade so seine Erfahrungen macht mit Großbaustellen. Wir wollen nicht ermitteln, um wie viele Jahre sich die feierliche Einweihung des wiedererrichteten Stadtschlosses mit dem Humboldt-Forum womöglich verschiebt, wenn man mittels klassischem Dreisatz in Rechnung stellt, dass die Eröffnung des Flughafens drei Wochen vor Startschuss um acht Monate verschoben wurde, während sich beim Schloss bereits der eigentliche Baubeginn mehrfach verzögert hat. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee schob von 2009 auf 2010, später war von 2011 die Rede, bis Merkel persönlich den Termin auf 2014 hievte und Tiefensees Nachfolger Peter Ramsauer zum Trost für 2013 einen ersten Spatenstich versprach.

Wir wollen auch keine Exponentialrechnung über die bereits vorab steigenden Kosten erstellen. Okay, von 552 auf 590 Millionen, schlappe 38 Mille mehr, das klingt harmlos, aber was bitte ist mit dem Brandschutz beim Schloss? Fangen Attrappen leicht Feuer? Und, Thema Lärmschutz, Millionen Touristen sind bekanntlich nicht leise. Ganz zu schweigen von der Kuppelfrage. Die Kuppel ist bekanntlich noch nicht finanziert, aber mal Hand aufs Herz: Ist ein Schloss ohne Kuppel nicht wie ein Flughafen ohne Startbahn?

Schließlich verbieten wir uns die Frage, inwiefern die Nähe zur Staatsoper Unter den Linden ein schlechtes Omen darstellt. Ist ja ebenfalls ein Verzögerungsfall; statt im Oktober 2014 werden erst im April 2015 erstmals wieder Arien im sanierten Paulick-Saal geschmettert, wegen der überraschend aufgetauchten Holzpfähle in 17 Metern Tiefe. Wie tief wird fürs Schloss gebuddelt? Und finden sich dort dann nicht ganz andere Schätze, etwa Brocken und Brösel vom alten Schloss? Wenn erst die Archäologen mit Pinsel, Kelle und Argusaugen anrücken – das dauert.

Sei’s drum, an dieser Stelle wollen wir alle Sorgen beiseite lassen und unbeschwerten Gemüts annoncieren, dass an diesem Donnerstag Gründungstag ist. Minister Ramsauer, der Regierende Wowereit, Architekt Franco Stella, Rainer Bomba und Manfred Rettig von der Schloss-Stiftung werden mit den „Gründungsarbeiten und der Herstellung der Baugrube“ beginnen, wie es in der Einladung heißt. Gründung, schönes Wort, laut Lexikon das „Tragelement zur Einleitung von Lasten eines Bauwerks in den Untergrund“, vulgo: Fundament. Heute also: der Spatenstich vor dem Spatenstich. Es ist der letzte Moment, in dem die Welt in Ordnung und noch kein Eröffnungstermin in die Baugrube gefallen ist.

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