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Kultur: Stammzellen-Debatte: Der Vorbeter

"Guten abend. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir heute Abend ein paar Minuten Ihrer Zeit spenden, so dass ich mit Ihnen ein komplexes und schwieriges Thema diskutieren kann, ein Thema, das zu den bedeutendsten unserer Zeit gehört.

"Guten abend. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir heute Abend ein paar Minuten Ihrer Zeit spenden, so dass ich mit Ihnen ein komplexes und schwieriges Thema diskutieren kann, ein Thema, das zu den bedeutendsten unserer Zeit gehört." George W. Bush hält seine Rede aus Crawford, Texas. Hält sie von seiner Ranch, aus den Ferien, in Anzug und mit beruhigend blauer Krawatte. Zwei, drei Fliegen schwirren um seinen Kopf, im Hintergrund die amerikanische Fahne und die texanische Prärie.

Die Mischung passt zur Thematik, bei der sich Privates und Politik nur noch schwer trennen lassen, auch beim Präsidenten der USA, wie sich im Laufe seiner Rede noch zeigen soll. Denn das Thema lautet: embryonale Stammzellen.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Eigentlich war es nur eine Frage, die Bush beantworten wollte: Soll der Staat die Forschung an embryonalen Stammzellen mit Steuergeldern unterstützen, ja oder nein? Es ist die erste Rede an die Nation, die Bush als Präsident hält. Als moderater Staatsmann wirke er dabei, so der Eindruck der "Washington Post". Ein Auftritt im nationalen Fernsehen, abends um neun, zur besten Sendezeit - "ein Format, das Präsidenten traditionell für die Erklärung militärischer Aktionen reservieren, oder dafür, sich aus schwierigen politischen Affären zu ziehen", kommentiert die "New York Times".

Bushs Antwort - sie kommt erst im letzten Moment seiner zehnminütigen Rede - ist ein Kompromiss. Es ist ein Ja zur Förderung der Forschung mit bereits existierenden Stammzell-Linien. Für neue Stammzell-Linien aber gebe es kein Geld aus Washington. Der Grund: Für die Schaffung embryonaler Stammzellen muss der menschliche Embryo zerstört werden. Der Mittelweg hingegen erlaube "das Versprechen und Potenzial der Stammzellforschung zu erkunden, ohne eine fundamentale moralische Linie zu überschreiten", sagte Bush.

Mehr als 60 embryonale Stammzell-Linien existierten bereits, behauptete der Präsident. Die Forschung an eben diesen Zellen will er auch fördern. Wie kommt es zu diesen Zell-Linien? Wenn Paare sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, werden dabei häufig mehrere Embryos geschaffen - denn oft scheitert der Befruchtungsversuch. Ist die Befruchtung erfolgreich, bleiben die anderen Embryonen übrig, gelagert in einem Gefrierschrank. Ein Teil davon, der sonst zerstört werden würde, wird von Forschern genutzt, um daraus Stammzellen zu gewinnen. Forschung an diesen bereits existierenden Stammzell-Linien, "wo die Entscheidung zwischen Leben und Tod bereits getroffen ist", so Bush, soll öffentlich gefördert werden. Da bereits genügend Stammzell-Linien existieren würden, sehe er keinen Grund, weitere aus Embryonen herzustellen. Auch wenn das in den USA, so lange die Institute die Projekte aus eigener Tasche zahlen, weiterhin erlaubt bleiben soll.

Die meisten Republikaner begrüßten Bushs Worte, viele Demokraten hingegen kritisierten die Entscheidung: Alles andere als eine volle finanzielle Unterstützung verlangsame die Entwicklung neuer Heilmittel. Forscher sehen embryonale Stammzellen als "medizinische Wunderkinder", weil diese Zellen sich in jede Zelle unseres Körpers entwickeln können, in Hirn-, Herz- oder Leberzellen. Damit stellen sie eine Hoffnung dar in der Heilung von Krankheiten wie etwa Parkinson oder Alzheimer.

"Wir sind sehr besorgt, ob die Förderung ausreicht, um die Arbeit zu machen, die gemacht werden muss", kommentierte Peter van Etten, Chef einer US-Diabetes-Forschungsgesellschaft, Bushs Rede. Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) dagegen begrüßte den Weg der USA, "einen verantwortungsvollen Umgang bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen einzuschlagen. Die dort getroffene Entscheidung verringert die Missbrauchmöglichkeiten erheblich und stellt gleichzeitig sicher, dass neue Chancen für die Krankheitsbekämpfung genutzt werden können."

Leicht schien Bush die Entscheidung nicht zu fallen - vielleicht der Grund dafür, weshalb er sich während seiner Rede in den einen oder anderen Widerspruch verstrickte. Zum Thema "eingefrorene Embryonen" etwa sagte er: "Wenn sie ohnehin zerstört werden - sollten sie dann nicht für einen besseren Zweck genutzt werden?" Gleichzeitig will er die Forschung, die aus diesen eingefrorenen Embryonen Stammzellen gewinnen will, nicht öffentlich fördern. Nur Forschung an bereits vorhandenen Linien soll Geld aus Washington bekommen.

Doch sogar bei Kritikern hinterließ Bush nach seiner Rede im Fernsehen den Eindruck, hier hätte ein Präsident wirklich über eine Thematik und seine Ansprache gegrübelt. "Nancy Reagan", sagte Bush gegen Ende seiner Rede, die Frau des an Alzheimer erkrankten Ex-Präsidenten Ronald Reagan, "hat mir über Präsident Reagans Kampf gegen Alzheimer geschrieben. Meine eigene Familie wurde mit der Tragödie von Kinder-Leukämie konfrontiert ... Ich habe diese Entscheidung mit großer Sorgfalt getroffen und bete, dass es die richtige ist."

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